Müllabfuhr für die Meere

Die­se Kis­ten bre­chen schnell aus­ein­an­der und wehen ins Meer 
Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE Mit Gün­ther Bonin auf sei­nem Kata­ma­ran, der Seekuh

Ich war auf Recher­che­rei­se in Hong­kong, es ging um Plas­tik­müll im Meer. Getrof­fen habe ich dort den Müll­fi­scher Gün­ther Bonin – ein beein­dru­cken­der Mensch und ein rich­ti­ger Macher.

Er spricht unglaub­lich schnell, als hät­te er kei­ne Zeit zu ver­lie­ren, weil er so viel sagen möch­te. Zum Bei­spiel, dass über 300 Mil­lio­nen Ton­nen Plas­tik welt­weit pro Jahr pro­du­ziert wer­den und bis zu 13 Mil­lio­nen Ton­nen davon im Meer lan­den. Und dass Kunst­stof­fe 85 % der Mee­res­ab­fäl­le aus­ma­chen. Plas­tik wird zu Mikro­plas­tik, wird von Fischen und See­vö­geln mit Plank­ton ver­wech­selt und gefres­sen oder sinkt auf den Mee­res­grund – und „da krie­gen wir es mit aktu­el­len Tech­no­lo­gien nicht wie­der hoch“, so Günther.

Sein Schlüs­sel­er­leb­nis: Er war mit einem Segel­boot in einer stür­mi­schen Nacht zwi­schen Seat­tle und San Fran­cis­co unter­wegs und hat nach dem Sturm zahl­rei­che Plas­tik­tü­ten auf dem Was­ser schwim­men gese­hen. Die Müll­spur eines Frach­ters, nichts Beson­de­res, wie er sagt.

An dem Mor­gen vor 10 Jah­ren ist ihm aber klar­ge­wor­den, dass es nicht nur ein ein­zi­ger Frach­ter war, der unter­wegs war und sei­nen Müll ins Meer gewor­fen hat­te, son­dern mög­li­cher­wei­se Tau­sen­de von Boo­ten auf allen Ozea­nen. Und er hat den Ent­schluss gefasst, etwas dage­gen zu tun. Hat sei­nen Job auf­ge­ge­ben, den Ver­ein „One Earth One Oce­an“ gegrün­det und Plä­ne ent­wi­ckelt, wie man den Müll wie­der aus dem Meer raus­ho­len kann – und für sein Pro­jekt Spon­so­ren gesucht.

Inzwi­schen hat er in Lübeck einen Kata­ma­ran bau­en las­sen, der mit Hil­fe eines Net­zes Plas­tik aus vier Meter Tie­fe her­aus­fischt. Den hat er zunächst auf der Ost­see getes­tet und dann nach Hong­kong gebracht. Hot­spot der Ver­mül­lung ist näm­lich Asi­en. Der gel­be Fluss zum Bei­spiel ist einer der schmut­zigs­ten Flüs­se der Welt. Acht Flüs­se trans­por­tie­ren den meis­ten Müll, sechs davon in Chi­na und zwei in Afrika.

Des­halb ist er nach Asi­en auf­ge­bro­chen, um den gro­ßen Hafen­städ­ten sei­ne Hil­fe anzu­bie­ten. Sei­ne Visi­on: Gan­ze Flot­ten fern­ge­steu­er­ter Kata­ma­ra­ne sol­len mit Hil­fe von Wind- und Solar­ener­gie die Küs­ten­li­ni­en „abgra­sen“. Sind die Net­ze voll, wer­den sie ver­schlos­sen und mit Bojen und Peil­sen­dern ver­se­hen. Ihre Posi­ti­on wird an den See­far­mer, einen Traw­ler, über­tra­gen, der die vol­len Net­ze ein­sam­melt und sie zum Recy­clingschiff, dem See­ele­fan­ten, bringt. Dort wird das gesam­mel­te Plas­tik sor­tiert und zu schwe­fel­frei­em Heiz­öl ver­ar­bei­tet. Schon heu­te kön­nen Seen und Flüs­se von klei­nen, vier mal zwei Meter gro­ßen See­hams­tern gerei­nigt wer­den, bei­spiels­wei­se in Kambodscha.

Cem Özd­emir war schon zu Besuch auf der See­kuh und ganz begeis­tert von dem Kon­zept. Ich hab Gün­ther in Hong­kong ken­nen­ge­lernt, um über ihn und sein Enga­ge­ment eine Geschich­te zu schrei­ben. Die ist jetzt in der aktu­el­len Bri­git­te (Nr. 22) zu lesen.

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