Patientenverfügungen leisten oft nicht, was von ihnen erwartet wird. Woran liegt es und was lässt sich tun?

Seit 2009 regelt ein Gesetz (§ 1901a und b BGB), dass Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen befolgt wer­den müs­sen, wenn sie auf die aktu­el­le Situa­ti­on zutref­fen und kon­kre­te Anwei­sun­gen ent­hal­ten. Letz­te­res wur­de 2016 in einem Urteil des BGH in Erin­ne­rung gebracht. Eigent­lich also nichts Neu­es, aber wer liest schon ein Gesetz, bevor er eine Pati­en­ten­ver­fü­gung auf­setzt, zumal im Inter­net über 400 Ange­bo­te zu fin­den sind, die es schein­bar leich­ter machen. Tat­säch­lich gibt es aber erheb­li­che Unter­schie­de, was die Reich­wei­te einer Pati­en­ten­ver­fü­gung betrifft, d. h., in wel­chen Situa­tio­nen sie beach­tet wer­den muss. Hier­zu wur­de im § 1901a BGB fest­ge­legt, dass Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen unab­hän­gig von Art und Sta­di­um einer Erkran­kung zu beach­ten sind.

Eine Pati­en­ten­ver­fü­gung wird erst benö­tigt, wenn der eige­ne Wil­len nicht mehr kom­mu­ni­ziert wer­den kann. Selbst wenn das noch geht, fällt es vie­len schwer zu ent­schei­den, auf wel­che Behand­lung sie lie­ber ver­zich­ten wol­len, weil die Kon­se­quen­zen nicht voll­um­fäng­lich ver­stan­den werden.

Die aller­meis­ten Pati­en­ten­ver­fü­gungs­vor­la­gen ori­en­tie­ren sich an den Emp­feh­lun­gen des BMJV von 2004, die in ihrer Reich­wei­ten­vor­ga­be noch sehr ein­ge­schränkt waren. Es gibt eini­ge Ange­bo­te, die zulas­sen, die Reich­wei­te enger oder wei­ter zu fas­sen. Das Spek­trum geht dabei von Lebens­schutz bis Ster­be­hil­fe, wobei die meis­ten Ange­bo­te irgend­wo dazwischenliegen.

Den größ­ten Lebens­schutz dürf­te zur­zeit jemand haben, der kei­ne Pati­en­ten­ver­fü­gung, aber eine gute Kran­ken­ver­si­che­rung hat. Dann kann erwar­tet wer­den, dass alles getan wird um das Ster­ben zu verhindern.

Dem am nächs­ten kommt die sog. Christ­li­che Pati­en­ten­vor­sor­ge, deren Vor­ga­be die Ableh­nung lebens­er­hal­ten­der Maß­nah­men nur im unab­wend­ba­ren, unmit­tel­ba­ren Ster­be­pro­zess oder End­sta­di­um einer unheil­ba­ren, töd­lich ver­lau­fen­den Erkran­kung vor­sieht. In einer sol­chen Situa­ti­on, wür­de ein ethisch han­deln­der Arzt aber sowie­so nichts mehr tun, um das Ster­ben zu ver­hin­dern, denn es ist ja bereits »unab­wend­bar«, bzw. der Pati­ent ist »aus­the­ra­piert«. Hier muss man fra­gen dür­fen: Wem nützt es, dass in ande­ren aus­sichts­lo­sen Fäl­len, eine Ster­be­ver­hin­de­rung durch die­se „Pati­en­ten­vor­sor­ge“ legi­ti­miert erscheint?

Am ande­ren Ende des Spek­trums sind die bei­den Pati­en­ten­ver­fü­gungs­mo­del­le des Huma­nis­ti­schen Ver­bands Deutsch­lands (HVD). Deren Stan­dard-Pati­en­ten­ver­fü­gung hat die Wahl­mög­lich­kei­ten erheb­lich über die Vor­ga­ben des BMJV hin­aus erwei­tert. Zudem wird eine kos­ten­lo­se Bera­tung ange­bo­ten sowie die qua­li­fi­zier­te Erstel­lung von Pati­en­ten­ver­fü­gung und Vorsorgevollmachten:
www.patientenverfuegung.de/online-patientenverfuegung

Die Wahl­mög­lich­kei­ten gehen sogar soweit, dass lebens­ver­län­gern­de Maß­nah­men bei Schwerst­pfle­ge­be­dürf­tig­keit aus­ge­schlos­sen wer­den kön­nen und/oder die Behand­lung bei schwe­rer Hirn­ver­let­zung zeit­lich begrenzt wer­den kann. Außer­dem ist es mög­lich, Wie­der­be­le­bungs­maß­nah­men bei Herz-/Kreis­lauf­still­stand abso­lut auszuschließen.

Wer noch am Leben teil­ha­ben und sich selb­stän­dig bewe­gen kann, schließt dadurch eine Wie­der­be­le­bung zunächst nicht aus, denn die Pati­en­ten­ver­fü­gung liegt meist zuhau­se. Wenn aber nach einer fehl­ge­schla­ge­nen Wie­der­be­le­bung, bei Nicht­ein­wil­li­gungs­fä­hig­keit, die Ver­fü­gung zur Kennt­nis gelangt, muss die wei­te­re Behand­lung ein­ge­stellt wer­den. Dann kann man an sei­ner Erkran­kung natür­lich ver­ster­ben, so wie es die Groß­el­tern und alle Gene­ra­tio­nen davor noch muss­ten (oder durf­ten), weil die Medi­zin noch nicht anders konnte.

Anders ist es, wenn man bereits pfle­ge­be­dürf­tig ist und in einer ent­spre­chen­den Ein­rich­tung gepflegt wird. Dann soll­te der Inhalt der Pati­en­ten­ver­fü­gung bekannt sein und eine Kopie in der Pfle­ge­ak­te lie­gen. Solan­ge es noch geht, kön­nen die Pfle­gen­den dar­auf hin­wei­sen, dass nun auf kei­nen Fall mehr wie­der­be­lebt wer­den soll. Dazu kann in der Ver­fü­gung auch die Benach­rich­ti­gung eines Not­arz­tes aus­ge­schlos­sen werden.

Lei­der sind vie­le Pfle­ge­ein­rich­tun­gen nicht bereit, das dann zu respek­tie­ren. Vor­ge­scho­ben wird die Angst wegen unter­las­se­ner Hil­fe­leis­tung belangt zu wer­den. Dar­um ist es hilf­reich, wenn der behan­deln­de Arzt in einer vor­aus­schau­en­den Not­fall­pla­nung, ent­spre­chen­de Anwei­sun­gen gege­ben hat.

Noch wei­ter geht die sog. Opti­ma­le Pati­en­ten­ver­fü­gung des HVD, deren Anfän­ge 25 Jah­re zurück­lie­gen. Hier kann für die wich­tigs­ten Behand­lungs­mög­lich­kei­ten fest­ge­legt wer­den, ob sie erfol­gen sol­len oder nicht bzw. in wel­chen Situa­tio­nen. Sie geht sogar soweit, dass man sich das Recht vor­be­hal­ten kann, sein Leben ein­mal sel­ber zu been­den. Dafür wird die alt­ehr­wür­di­ge Metho­de des frei­wil­li­gen Ver­zichts auf Nah­rung und Flüs­sig­keit (FVNF) vorgeschlagen.

Lei­der gibt es bis­her kei­ne glaub­wür­di­ge Instanz, die die Qua­li­tät ange­bo­te­ner Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen ver­gleicht und beur­teilt. Unglück­li­cher­wei­se hat sich die für sowas prä­de­sti­nier­te Stif­tung Waren­test sel­ber dis­qua­li­fi­ziert, indem sie eine eige­ne Pati­en­ten­ver­fü­gung her­aus­ge­ge­ben hat und damit ver­sucht Geld zu ver­die­nen. Bei einem Ver­gleich wür­de deut­lich wer­den, dass ihre eige­ne nicht über die Emp­feh­lun­gen des BMJV hin­aus­geht, dafür aber die mög­li­chen Fest­le­gun­gen teil­wei­se unnö­tig verkompliziert.

Das macht die Situa­ti­on für einen Vor­sor­ge­wil­li­gen natür­lich nicht ein­fa­cher. Nahe­lie­gend wäre, sich von einem Arzt bera­ten zu las­sen, doch dürf­te auch die­sem der Über­blick feh­len, und die Kennt­nis­se und Bereit­schaft eine indi­vi­du­el­le Pati­en­ten­ver­fü­gung zu erstel­len, denn die Bera­tung zur Pati­en­ten­ver­fü­gung ist kei­ne kas­sen­ärzt­li­che Leis­tung. Da das Ziel einer Pati­en­ten­ver­fü­gung das Zulas­sen eines natür­li­chen Ster­bens ist, könn­te ein Arzt zudem in einen Gewis­sens­kon­flikt kom­men, wenn er sei­ne Auf­ga­be vor­ran­gig in der Lebens­er­hal­tung sieht.

Da Ärz­te mit Ster­be­ver­hin­de­rung viel Geld ver­die­nen kön­nen, kann dies zu einem Inter­es­sens­kon­flikt füh­ren, der in der Qua­li­tät der Pati­en­ten­ver­fü­gung zum Aus­druck kom­men kann. Aber Ärz­te sind nicht von Haus aus qua­li­fi­ziert zu Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen zu bera­ten, denn die wenigs­ten haben Erfah­rung mit Ster­ben­den, auch weil Haus­be­su­che sich finan­zi­ell nicht mehr loh­nen. Zudem hat der Gesetz­ge­ber die Bera­tung zur Pati­en­ten­ver­fü­gung nicht als kas­sen­ärzt­li­che Leis­tung vorgesehen.

Man­cher meint sich von einem Anwalt oder Notar bera­ten las­sen zu müs­sen, doch fehlt denen dazu meist die medi­zi­ni­sche Qua­li­fi­ka­ti­on, sodass sie oft einen vor­ge­fer­tig­ten Text benut­zen und rela­tiv hohe Gebüh­ren verlangen.

Wer genau weiß, was er will, kann sich die pas­sen­de Pati­en­ten­ver­fü­gung aus­su­chen, doch dürf­te den meis­ten dafür der Über­blick feh­len, denn mitt­ler­wei­le gibt es über 400 Anbie­ter. Sich aber mit dem ers­ten For­mu­lar, das einem begeg­net, aus Unkennt­nis zu begnü­gen, kann leid­vol­le Fol­gen haben.

Das gemein­nüt­zi­ge Anbot der Zen­tral­stel­le Pati­en­ten­ver­fü­gung des Huma­nis­ti­schen Ver­ban­des bie­tet online Ein­sicht in die kon­kre­ten Inhal­te sowie Vor­sor­ge­voll­mach­ten, die kos­ten­los her­un­ter­ge­la­den und gleich genutzt wer­den kön­nen. Deren kos­ten­lo­se per­sön­lich oder tele­fo­ni­sche Bera­tung dürf­te sei­nes­glei­chen suchen.

Autor: Frank Spa­de, Ster­be­be­glei­ter und huma­nis­ti­scher Bera­ter zu Pati­en­ten­ver­fü­gung, Vor­sor­ge und Selbst­be­stim­mung am Lebens­en­de, hält auch Vor­trä­ge zum Thema

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