Über die Rekultivierung von Abraumhalden 20. April 202022. März 2022 | Bernd Gosau „Erinnerungen – Ein deutsch-deutsches Leben“ nennt Wilhelm Knabe seine 2019 erschienene Biografie. Er, der 1980 „Die GRÜNEN“ mitgegründet hat, ist heute 96 Jahre alt und schaut auf sein Leben zurück. Es reicht von der Kindheit in einem Dorf bei Leipzig über die Hitlerjugend, den Zweiten Weltkrieg, das Leben in der DDR, die Flucht und den Neuaufbau in der Bundesrepublik Deutschland. Schon früh in der Umweltbewegung engagiert, wurde er 1982 Sprecher der Partei. Wie kein anderer verkörpert Wilhelm Knabe die Doppelheit Deutschlands. Sie hält heute noch an, obwohl die Mauer schon vor 30 Jahren gefallen ist. Wilhelm Knabe ist mit acht Geschwistern in einem evangelischen Haushalt aufgewachsen. Der Vater ist Pastor in einer Pflegeanstalt, „in der ‚Geisteskranke’ untergebracht waren“. Er erlebt den Krieg; zwei seiner Geschwister fallen. Gegen Ende fragt er einen befreiten KZ-Häftling, wie es denn gewesen sei. Der antwortet: „Weißt du, die werden dir viel erzählen, wie schlimm es war, ich kann dir nur eins sagen, es war schlimmer.“ Das hat er nie vergessen. Wilhelm Knabe gerät in Gefangenschaft. Dort begegnet ihm der Dichter Hermann Hesse. Ein amerikanischer Soldat verhört ihn. Es ist Henry Kissinger, wie er später erkennt.Nach dem Krieg arbeitet er zuerst als „Laienlehrer“ an einer Volksschule. „Fördern Sie die Begabungen, schaffen Sie Vertrauen und seien Sie ihnen Vorbild“, rät ihm ein Psychologe. Daran hat er sich sein Leben lang gehalten.Dann studiert er Forstwirtschaft, engagiert sich in der evangelischen Studentengemeinde und schreibt seine Diplomarbeit über eine „wunderbare“ Lärche, in deren Schatten ein Apfelbaum jedes Jahr Früchte trägt, was andere Bäume nur alle zwei Jahre schaffen. Seine Doktorarbeit schreibt er über „Die Rekultivierung im Braunkohlenbergbau“. Damit hat er sein erstes Lebensthema gefunden. Er fährt in die Lausitz, erforscht die Ursachen und findet die Lösung. Mittlerweile gilt er weltweit – in den USA, in Brasilien, in Polen und in Nordrhein-Westfahlen – als Fachmann für die Rekultivierung von Abraumhalden. Er heiratet, bekommt Kinder, schreibt selbst Gedichte, bekommt Ärger mit der Stasi und flüchtet in den Westen.Dort beginnt er als Geschäftsführer des Deutschen Pappelvereins NRW, legt sich sofort mit den Mächtigen der Branche an, wechselt ans Institut für Weltforstwirtschaft nach Hamburg und geht kurz danach zur Landesanstalt für Immissions- und Bodennutzungsschutz nach Essen. Da geht es um Luftreinhaltung und um den Schutz der Wälder. Das andere Lebensthema des Wilhelm Knabe. Doch die Bäume in NRW sind schon schwer geschädigt: „Nur mein Lieblingsmammutbaum vor der Eingangstür meines Hauses, der steht noch.“Politisch engagiert war Wilhelm Knabe schon immer. Von 1946 bis zu seiner Flucht ist er in der Ost-CDU, danach in der West-CDU, die er bei der Gründung einer „Grünen Liste Umweltschutz NRW“ 1978 verlässt. Gleichzeitig arbeitet er in Mülheim an der Ruhr in einer Bürgerinitiative zur Verhinderung der A31 mit, die unter Vernichtung von zahlreichen Waldgebieten von Ostfriesland ins Ruhrgebiet führen sollte. Unter dem Namen „Ostfriesenspiess“ ist sie in die Geschichte eingegangen.Bei der Gründung des Kreisverbandes Mülheim an der Ruhr ist er „selbstverständlich“ dabei und als zwei Jahre später in Karlsruhe die Bundespartei ausgerufen wird, sitzt er auf dem Podium, und in Hagen wird er zum ersten Sprecher gewählt. In den folgenden Jahren ist er bei allen wichtigen Ereignissen dabei, wobei das „Waldsterben“ zunehmend in den Mittelpunkt seiner Arbeit rückt. Dann schmuggelt er noch eine Druckmaschine in die Umweltbibliothek der Zionsgemeinde, die sofort von der Stasi konfisziert wird. 1990 fliegen die Westgrünen aus dem Bundestag, weil der Slogan: „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Klima“, ihnen zum Verhängnis wird.An seinem 80. Geburtstag versammelt sich die grüne Prominenz, um ihn zu feiern, ihn mit Lobeshymnen und zarter Kritik zu würdigen, wie er schmunzelnd berichtet. In Mülheim an der Ruhr wird er noch einmal 2. Bürgermeister in einer schwarz-grünen Koalition und 2004 gründet er noch einmal den Verein Grüne Alte mit. Seit 2012 ist er dessen Ehrenvorsitzender.Nach einem Schlaganfall seiner Frau widmet er sich ihrer Pflege bis zu ihrem Tod.In der Ausstellung „Befreite Moderne (Kunst 1945–1949)“ im Kunstmuseum Mülheim, begegnet ihm Hermann Hesses Gedicht „Stufen“ wieder, und beeindruckt ihn der Name „Barbaropa“ für das in die Barbarei zurückgefallene Europa.Das Buch endet mit einer „Reise in die Erinnerung – ein Traum“, in der sich sein bisheriger Lebensweg noch einmal spiegelt.Im Vorwort schreibt Michael Kellner, der Politische Bundesgeschäftsführer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Ich verneige mich vor Menschen wie Wilhelm, ohne ihn würden wir heute als Partei nicht existieren. Er hat die Saat gelegt für diese Grüne Partei.“Wilhelm Knabes Erinnerungen weisen auf die Zukunft hin, sie zeigen, was zu machen ist und fordern uns auf, es zusammen mit ihm zu tun. Und so entsteht mit der Rekultivierung der Abraumhalde „Erde“ für die Ökologie, was ja „Wissenschaft von organischen Lebewesen in natürlicher Umwelt“ oder vom „ungestörten Haushalt der Natur“ bedeutet, ein völlig neuer Sinn. Ein nützliches Buch.Wilhelm Knabe, Erinnerungen – Ein deutsch-deutsches Leben, Dr. Krosse Verlag, Mülheim an der Ruhr 2019, 22 Euro.Autor: Bernd Gosau, von 2009 bis 2019 Sprecher der Grünen Alten Bundesverband
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