Wie der Haushalt der Natur sich in die Gesellschaft einbringt 1. Mai 202010. Mai 2020 | Bernd Gosau Ein Gespräch mit dem ÖkologenDr. Wilhelm Knabe.Interview Bernd Gosau Du kommst aus einem evangelischen Elternhaus und warst das siebte von neun Geschwistern. Wie hat dich das geprägt?Am wichtigsten war ohne Zweifel das Vorbild meiner Eltern und Geschwister. Zusätzlich ergaben sich Unterschiede je nach Veranlagung und Interessen. In den Wald oder ins Schilf am Rand des Gewässers kamen die andern nicht mit. Jedenfalls wurde ein Wochenende zu Hause in Moritzburg als zehnmal schöner als im Internat empfunden. Generell gilt wohl, dass sich eine Gruppe schon nach kurzer Zeit eine eigene Struktur gibt. Bei uns zählte schon die Aufteilung nach Größe. Wir waren 5 Große und 5 Kleine. Aber trotzdem zusammen nur Neun. Das kleine 1×1 schien für uns nicht zu passen. In Wirklichkeit war es kinderleicht zu erklären, denn unsere Fünfte in der Reihe, Marie, war je nach dem Angebot einmal bei den Großen und danach wieder bei den Kleinen. Zusammen eben immer Neun.Wie definierst du Ökologie?In der Wissenschaft versteht man unter Ökologie die Lehre vom Naturhaushalt und seinen Interaktionen. In der Politik prüft man, ob sich die Gesellschaft nach den Regeln einer nachhaltigen Wirtschaft entwickelt oder nicht.Ein Zollstock spielt in deiner Biographie „Erinnerungen – Ein deutsch-deutsches Leben“ eine besondere Rolle. Welche?Mein Zollstock rettete 1979 die Gründung der Grünen NRW. Kurz vor der Abstimmung rief ein Gegner der Gründung laut im Hintergrund: “Die Ökologen sollen rausziehen!“. Da sprang ich auf, riss meinen Zollstock, den ich im Wald oft brauchte, aus der Tasche, hielt ihn quer vor mich hin und rief: „Das hier ist eine Links-Rechts-Elle. Damit kannst du nur in einer Dimension denken und agieren. Bist du links, rechts oder in der Mitte?“Dann drehte ich den Zollstock blitzschnell in die Vertikale und rief klar und bestimmt.: „Wir haben einen andern Maßstab, den der Ökologie. In der Senkrechten bilden wir die Stellung des Betreffenden zur Erhaltung des Lebens ab. Dann ist oben = ökologisch und unten = un- oder antiökologisch!“Du hast dich dein ganzes Leben mit Bäumen befasst. Warum?Bäume sind Lebewesen, die man liebgewinnen kann. Sie altern wie wir Menschen, doch sie scheinen uns klüger zu ein. Sie vergiften nicht den Boden, in dem sie wurzeln, sondern nutzen ihren Abfall als Baustoff und Energiereserve und geben dadurch einer riesigen Zahl von Lebewesen Stoffe zur Weiterverwertung. Es gibt viele Vergleichsmöglichkeiten zwischen Mensch und Baum wie etwa die Begrenzung des Wachstums bis zu einer vorbestimmten Endhöhe, die nur geringfügig überschritten werden kann.Die Fragen der BäumeWir stehen auf dem grünen Hügel und schau’n umher.So viele schöne, grüne Bäume, am Ende querdie Mauer, die des Friedhofs Rund umspannt,doch neben mir steh’n Menschen, besorgt, gebannt.Wir schau’n genauer, seh’n durch die lichten Kronen hellen Schein.Die Kinder zeigen auf die toten Bäume und sammeln Blätter ein.Wir lernen, wie der Saft im Holz aufsteigt und in der Rinde fließt zurück.Die Blätter zeigen Leben und Vergehen, Stück für Stück.Sie klagen an: „Wer hat uns so vergiftet ganz ohne Not?“Merkt Ihr denn nicht, dass Euer Leben auch bedroht?“Sie fragen leis’: „Was tut Ihr denn dagegen? Tut Ihr genug?“Am Abend nehm’ ich auf die Fragen: „Tut wirklich Ihr genug?“Wilhelm Knabe 1984Du bist beeindruckt von Gedichten und schreibst auch selber welche. Hermann Hesses „Stufen“ sind dir schon in der Gefangenschaft begegnet. Welche Rolle spielen die Dichtung, die Musik und die Kunst insgesamt bei dir?Wir lasen in unserer Kindheit an den Sonntagen nachmittags, wenn Vater keine Zeit hatte, oft ganze Theaterstücke mit verteilten Rollen vor. Als Kinder vorzugsweise leicht gefasste Stücke wie den Trompeter von Säckingen für unser Marionettentheater, später mit Vater zusammen am Liebsten die Dramen von William Shakespeare. Da passierte jedenfalls etwas auf der Bühne. Hinzu kam das sonntägliche Singen, wenn Vater Zeit hatte, uns auf dem Klavier zu begleiten. An Museen habe ich als Jugendlicher Ausstellungen von Naturobjekten sehr gemocht und einmal zum Entsetzen des Wächters sogar ein ausgestopftes Krokodil umarmt.Leider habe ich infolge des Umzugs von Leipzig nach Moritzburg kein Instrument gelernt, nur den Schulchor habe ich in jeder höheren Klasse regelmäßig besucht, als Erwachsener habe ich sogar in Reinbek und in Mühlheim einen Chor gegründet, als der alte sich aufgelöst hatte. Die bildende Kunst reizte mich anfangs nicht sonderlich. Das änderte sich schlagartig, als ich wohl 1946 die erste große Kunstausstellung in Dresden besucht hatte. Otto Dix hatte den Schrecken des Krieges einprägsam gezeigt. Meine Liebe zu den Expressionisten ist seitdem ungebrochen, zumal einige Bilder direkt in Moritzburg entstanden sind.Und was machst Du morgen?Ich besuche die jungen Ökologen im Umweltbildungshaus in Tharandt bei Dresden, dessen Gründung ich 1990 wirksam unterstütze hatte.Das Umweltbildungshaus führt Veranstaltungen über die Natur vor Ort, politisches Handeln und ökologisches Leben im Alltag durch.
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Der die Bäume liebte: Dr. Wilhelm Knabe 20. Februar 202126. März 2021 Auf die Frage nach dem Warum antwortete er: „Bäume sind Lebewesen, die man liebgewinnen kann. Sie altern wie wir Menschen, doch sie scheinen uns klüger zu ein. Sie vergiften nicht […]