Migrant:innen im Alter 3. August 202218. November 2023 | Antonia Schwarz Viele Menschen, die als sogenannte „Gastarbeiter:innen“ nach Deutschland gekommen sind, haben sich u. a. aus familiären Gründen entschieden, in Deutschland zu bleiben. In Ballungszentren wie in Berlin, Stuttgart und Städten des Ruhrgebiets sind ältere Migrant:innen eine der am stärksten wachsenden Bevölkerungsgruppen. Viele sind ab den 1960er Jahren aus unterschiedlichen Gründen eingewandert. Sie kamen als Flüchtlinge, Arbeitsmigranten, Aussiedler, Studierende oder Kaufleute. Oft haben sie Schwierigkeiten, sich im Altenhilfe- und insbesondere im Pflegesystem zurechtzufinden und ihre Rechte zu kennen. Vielfach fehlt ihnen das Wissen zu ihren Leistungsansprüchen und über unterstützende Beratungsstellen. Zwar gibt es mehrere Stellen, die Auskünfte zur Pflege für Migrant:innen geben und u. a. über das Versorgungsangebot, Versicherungsansprüche und Finanzierungsmöglichkeiten informieren; die ständige Herausforderung besteht aber darin, dass die Betroffenen und deren Angehörige solche Informations- und Beratungsstellen kennen. Dies gilt vor allem für kleinere ethnische Gruppen. Hier kann über die Zusammenarbeit mit ethnospezifischen Communities viel zur Aufklärung und Wissensvermittlung beigetragen werden.Zur gesundheitlichen und pflegerischen Situation von älteren Migrant:innenAus einschlägigen Studien wissen wir, dass viele „Gastarbeiter:innen“, die schwere körperliche Arbeit zu verrichten hatten, früher als der Durchschnitt der älteren Bevölkerung chronisch krank und pflegebedürftig werden. Ihr Alterseinkommen liegt unter dem vergleichbaren Durchschnitt ihrer Altersgruppe. Auch diejenigen, die gut Deutsch gesprochen haben, verlieren oft ihre Sprachkompetenz, z. B. im Falle einer Demenz oder aufgrund fehlender Kontakte und damit fehlender Anwendung der deutschen Sprache. Die Erwartungen an Angehörige, dass sie im Alter die Versorgung durchführen, sind traditionell noch ausgeprägter als bei älteren Deutschen. In Ballungsräumen, wie z. B. in Berlin, haben sich inzwischen spezifische Beratungsangebote bewährt. Die „Interkulturellen Brückenbauer:innen in der Pflege – IBIP“ sind Beratungsstellen, die Hilfesuchende und Pflegebedürftige in folgenden Sprachen beraten und bei der Realisierung von Leistungsansprüchen unterstützen: Deutsch, Arabisch, Englisch, Französisch, Kurdisch (Sorani), Farsi, Dari, Russisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Türkisch, Vietnamesisch und Polnisch. An sie können sich Menschen mit Pflegebedarf oder deren Angehörige wenden. Die Beschäftigten dort kommen aus unterschiedlichen kulturellen, religiösen und sprachlichen Kulturen. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit Pflegebedarf und Migrationshintergrund niedrigschwellig zu erreichen und kultursensibel über ihre Ansprüche zu informieren sowie auf vorhandene Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Gleichzeitig werden Pflegefachkräfte sensibilisiert für andere Perspektiven, und in Einrichtungen der Pflege werden Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung umgesetzt. Dieses Projekt ist im Rahmen eines Modellvorhabens, gefördert durch den GKV-Spitzenverband (2015–2018) entstanden, welches wissenschaftlich begleitet wurde. In einem ersten Schritt wurden die Mitarbeitenden geschult und für ihre Beratungsaufgaben vorbereitet.Mittlerweile arbeiten die Interkulturellen Brückenbauer:innen in der Pflege, in der Regelversorgung als Bestandteil von Pflegestützpunkten, über die Stadt verteilt. Die Finanzierung erfolgt als Beratungsleistung der „Sozialen Pflegeversicherung“ und zusätzlich über Mittel aus dem Landeshaushalt. Die Unterstützung von Pflegebedürftigen beim Zugang zu Leistungsansprüchen ist für Familien mit älteren Pflegebedürftigen auch von großem materiellem Interesse, denn viele dieser Älteren haben unterdurchschnittliche Renten und Alterseinkünfte.Kultursensible PflegeWährend die Brückenbauer:innen vor allem die Aufgabe wahrnehmen, Pflegebedürftige bei der Realisierung von Leistungsansprüchen zu unterstützen, wird seit einigen Jahren über den Anspruch von „kultursensibler Pflege“ diskutiert. Dabei geht es um die Fähigkeiten und Kompetenzen derjenigen, die die Pflege bei Patient:innen und Pflegebedürftigen ausführen. Kultursensible Pflege „zielt darauf ab, die spezifischen Bedürfnisse von Migranten oder Minderheiten sichtbar zu machen und einen gleichberechtigten Zugang zur Pflege zu ermöglichen. Durch die Kenntnis und Wertschätzung kultureller Unterschiede – und zwar aufseiten der Pflegefachkräfte sowie der Pflegebedürftigen – wird im Sinne der kultursensiblen Pflege die Pflegebeziehung verbessert und die interkulturelle Kompetenz der Einrichtung weiterentwickelt.“Worin der Unterschied zur Pflege in deutschen Familien besteht, veranschaulicht ganz praktisch dieses Video.Kultursensible bzw. interkulturelle Pflege wird von Einrichtungen oft durch die Einstellung von muttersprachlichen Beschäftigten realisiert. Sie sind aber am häufigsten bei Pflegehelfern zu finden, seltener bei Pflegefachkräften. Vor allem in Ballungsräumen sind in den letzten Jahren auch kleine ambulante Pflegedienste entstanden, die sich teilweise auf ethnospezifische Gruppen wie Türkisch- und Russischsprechende konzentrieren. Solche Dienste bauen ein Netz zu Migrant:innen-Communities auf und nutzen Infomaterial in deren Sprachen. Die Etablierung von kultursensibler Pflege in größeren Pflegediensten und Pflegeheimen muss aber auch Bestandteil der Qualitäts- und Organisationsentwicklung werden und setzt eine systematische Qualifizierung des Personals voraus. Eine kultursensible Professionalisierung der Kranken- und Altenpflege ist aufwendig; die dafür nötigen Ressourcen müssten in der Regelfinanzierung berücksichtigt werden.Finanzierung von Sprachmittler:innenDeutschlands vielfältige Einwanderungsgesellschaft macht es erforderlich, dass Sprachbarrieren bei allen medizinischen Behandlungen abgebaut und angemessen berücksichtigt werden. Dies setzt fachlich qualifizierte Sprachmittler:innen voraus. Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde vereinbart: „Sprachmittlung auch mit Hilfe digitaler Anwendungen wird im Kontext notwendiger medizinischer Behandlung Bestandteil des SGB V (siehe Koalitionsvertrag Seite 65 unten).“ Dies bedeutet eine regelhafte Finanzierung solcher Leistungen nach dem Krankenversicherungsrecht, was einer langjährigen GRÜNEN Forderung entspricht. Mit der Umsetzung wird verhindert, dass weiterhin die Kinder von Migrant:innen Übersetzungsleistungen erbringen müssen, wenn es um heikle medizinische Eingriffe bei ihren Eltern geht. Über qualifizierte Sprachmittler:innen kann auch verhindert werden, dass es zu verhängnisvollen Missverständnissen zwischen Patient:in und den behandelnden Ärzt:innen kommt (bspw. bei der Anamnese in der Aufklärung oder in psychotherapeutischen Settings).Mehr zu diesem Thema ist unter www.caritas.de/neue-caritas/heftarchiv/jahrgang2016/artikel/ zu finden.
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