Erinnerung an Hannelore Hoger

Filmrezension: „Nichts für Feiglinge“

Hannelore Hoger, Frederick Lau als Lisbeth und ihr Enkel Philip

Nichts für Feig­lin­ge“ erzählt die berüh­ren­de Geschich­te des 23-jäh­ri­gen Musik­stu­den­ten Phil­ip, der in einer typi­schen Stu­den­ten-WG mit sei­nen Freun­den Ulli und Meh­met lebt. Sein Leben wird durch die Prü­fun­gen an der Musik­hoch­schu­le und die auf­kei­men­de Lie­be zu Doro, der Toch­ter sei­nes Ver­mie­ters, geprägt. Doch die Idyl­le wird jäh gestört, als sich das Ver­hal­ten sei­ner 72-jäh­ri­gen Groß­mutter Lis­beth, die ihn nach dem Tod sei­ner Eltern, ab dem 6. Lebens­jahr, auf­ge­zo­gen hat, zuneh­mend verändert.

Die ehe­ma­li­ge Kunst- und Geschichts­leh­re­rin, die mit ihrer her­ri­schen Art oft auf Distanz geht, zeigt plötz­lich alar­mie­ren­de Anzei­chen von Ver­wir­rung und Ver­gess­lich­keit. Die Dia­gno­se vas­ku­lä­re Demenz trifft Phil­ip wie ein Schlag. Zunächst ver­sucht er, das Pro­blem zu igno­rie­ren, bis ein gefähr­li­cher Vor­fall ihn zwingt, sich der Rea­li­tät zu stel­len. Die Bezie­hung zwi­schen Phil­ip und Lis­beth, die nie wirk­lich lie­be­voll war, wird auf eine har­te Pro­be gestellt, als er gezwun­gen ist, für sie eine Pfle­ge­ein­rich­tung zu suchen.

Der Film the­ma­ti­siert auf ein­fühl­sa­me Wei­se die Her­aus­for­de­run­gen, die mit dem Altern und der Pfle­ge von Ange­hö­ri­gen ein­her­ge­hen. Die anfäng­li­che Ableh­nung von Lis­beth gegen­über dem Pfle­ge­heim und die Schwie­rig­kei­ten, die Phil­ip mit sei­ner Ver­ant­wor­tung hat, wer­den authen­tisch dar­ge­stellt. Doch als er sei­ne Groß­mutter kur­zer­hand in die WG ein­quar­tiert, ent­wi­ckelt sich eine uner­war­te­te Dyna­mik. Lis­beth wird nicht nur ein Teil der Wohn­ge­mein­schaft, son­dern auch eine wich­ti­ge Bezugs­per­son für Phil­ip, was zu einer tie­fen, ver­trau­ens­vol­len Bezie­hung führt.

Die Cha­rak­ter­ent­wick­lung ist beson­ders gelun­gen: Phil­ip lernt, Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men und sei­ne ego­is­ti­schen Ansich­ten zu hin­ter­fra­gen. Die Unter­stüt­zung von Doro, die als mora­li­sche Stim­me fun­giert, bringt zusätz­li­che Tie­fe in die Hand­lung. Die Kon­flik­te zwi­schen den Cha­rak­te­ren sind rea­lis­tisch und nach­voll­zieh­bar, was den Zuschau­er emo­tio­nal mitnimmt.

Die zwei­te Hälf­te des Films zeigt Lis­beths Ein­ge­wöh­nung im Pfle­ge­heim Vil­la Grün­feld, wo sie einen intel­lek­tu­ell anre­gen­den Gesprächs­part­ner im Heim­lei­ter Dr. Schnei­der fin­det. Die Dar­stel­lung ihrer letz­ten Jah­re ist sowohl herz­zer­rei­ßend als auch hoff­nungs­voll. Den Abschieds­brief zu lesen, den Lis­beth Phil­ip hin­ter­lässt, ist für ihn ein bewe­gen­der Moment, der die Ent­wick­lung ihrer Bezie­hung zusam­men­fasst und die The­men Lie­be und Ver­lust zwi­schen ihnen ein­drucks­voll beschreibt.

Nichts für Feig­lin­ge“ ist ein Film, der nicht nur unter­hält, son­dern auch zum Nach­den­ken anregt. Er zeigt, wie wich­tig es ist, die Zeit mit gelieb­ten Men­schen zu schät­zen und die Her­aus­for­de­run­gen des Lebens gemein­sam zu meis­tern. Die emo­tio­na­le Tie­fe und die authen­ti­sche Dar­stel­lung der Cha­rak­te­re machen die­sen Film zu einem unver­gess­li­chen Erleb­nis. Ein abso­lu­tes Muss für alle, die sich für bewe­gen­de Geschich­ten über Fami­lie und die Kraft der Musik inter­es­sie­ren. Die­ser 2014 erst­mals gesen­de­te Film erin­nert an das Buch von Joa­chim Fuchs­ber­ger von 2011: »Alt­wer­den ist nichts für Feig­lin­ge« und wür­digt die gera­de ver­stor­be­ne Han­ne­lo­re Hoger, die Lis­beth spielt, und ist bis 03.07.2025 in der ARD-Media­thek abrufbar.

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