Grüner Besuch in der ersten Age-friendly City Deutschlands!

 

Hier sind Sie immer rich­tig“, sagt Kyra Sprin­ger, wenn Men­schen sie anru­fen und nicht wis­sen, ob sie bei der rich­ti­gen Stel­le gelan­det sind. Sie ist haupt­amt­li­che Koor­di­na­to­rin des Trä­ger­ver­eins „akiv55plus“ und sitzt mit ihrem Büro im Haus der Begeg­nun­gen, mit­ten in der ers­ten alters­freund­li­chen Stadt Deutsch­lands, in Radevormwald.

Von ihr wol­len wir, acht GRÜNE 60plus aus Ham­burg, heu­te erfah­ren: Was macht die ers­te Age-fri­end­ly City in Deutsch­land alters­freund­lich? Wie­so gera­de Rade­vorm­wald, eine 22.500-Einwohner*innen-Stadt bei Wup­per­tal? Und was hat die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) damit zu tun?

 

Um Ant­wor­ten auf unse­re Fra­gen zu bekom­men, hat Kyra Sprin­ger hoch­ka­rä­tig ins wun­der­schö­ne, schie­fer­ge­deck­te ehe­ma­li­ge Pas­to­rats­haus ein­ge­la­den:  Wir tref­fen neben Frau Sprin­ger den Ver­eins­vor­sit­zen­den und Chef­arzt des ört­li­chen Kran­ken­hau­ses, Dr. Rein­hold Hikl, und die stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de Sabi­ne Danow­ski, von der Stadt­sei­te den Bür­ger­meis­ter Johan­nes Mans, Vertreter*innen des Senio­ren­bei­rats, des Bau­am­tes, den Lei­ter des Sozi­al­am­tes und städ­ti­schen Pro­jekt­ver­ant­wort­li­chen für Age-fri­end­ly City. Mit dabei: Die grü­ne Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Kor­du­la Schulz-Asche, zustän­dig für grü­ne Pfle­ge- und Alters­po­li­tik im Bundestag.

 

Rade­vorm­wald ist Teil des Pro­gramms der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) „Age-fri­end­ly World“ bzw. Age-fri­end­ly City – und damit zum zwei­ten Mal Teil eines Pro­jek­tes, das die WHO auf­ge­legt hat. Beim ers­ten Mal ging es um „Gesun­des Altern“. Aus die­ser Akti­on ist spä­ter der Ver­ein „aktiv55plus“ ent­stan­den. Inzwi­schen ist der Ver­ein eine Art loka­les Netz­werk (ein biss­chen wie Alto­na­vi) mit  Pfle­ge­be­ra­tung und Hausbesuchen.

Kyra Sprin­ger und das Team vom Trä­ger­ver­ein aktiv55plus ste­hen von April bis Okto­ber ein­mal im Monat auf dem Markt, um Men­schen über Ange­bo­te und Ver­an­stal­tun­gen zu infor­mie­ren. Sie hat bes­ten Kon­takt zur Pres­se und ist min­des­tens ein­mal im Monat mit einem Arti­kel über Akti­vi­tä­ten des Ver­eins und Foto im Blätt­chen. Des­halb kennt sie auch fast jede*r hier.

 

Ange­scho­ben hat die Pro­jek­te Rein­hold Hikl. Er hat sich immer schon aktiv für Älte­re ein­ge­setzt, dem Kran­ken­haus war ein Pfle­ge­heim ange­schlos­sen, es gab einen Alten­kreis, und alten­ge­rech­te Woh­nun­gen in einer Trägerschaft.

Das Demons­tra­ti­ons­pro­jekt „Gesun­des und akti­ves Altern“ der WHO umfass­te die Städ­te Wien, Han­no­ver und Rade­vorm­wald und soll­te zei­gen, dass durch Gesund­heits­för­de­rung älte­rer Men­schen in der Kom­mu­ne Ant­wor­ten auf die Her­aus­for­de­run­gen des demo­gra­fi­schen Wan­dels gege­ben wer­den kön­nen. Das dama­li­ge Pro­jekt (2002−2004) wur­de vom Kran­ken­haus finan­ziert. Seit dem erfolg­rei­chen Abschluss die­ses Pro­jek­tes führt der Trä­ger­ver­ein aktiv55plus die­se Arbeit fort. 2015 war Hikl dann bei einer WHO Kon­fe­renz in Japan, auf der es hieß: Der The­men­kom­plex des gesun­den Alterns sei abge­hakt, das wüss­ten und könn­ten inzwi­schen alle Län­der. Die nächs­te Auf­ga­ben­pha­se sei nun,  die Gren­zen in den Ver­sor­gungs­sys­te­men ein­zu­rei­ßen, und die Sys­te­me durch­läs­si­ger zu machen. Die USA,  Japan, Chi­na, vie­le wich­ti­ge Län­der hat­ten offi­zi­el­le Vertreter*innen zur Kon­fe­renz geschickt, nur Deutsch­land war nicht dabei. Und Hikl wur­de unbe­hag­lich zumu­te, denn er hat­te eher den Ein­druck, dass man in Deutsch­land noch gar nicht rich­tig ange­fan­gen hat­te, die Pha­se des gesun­den Alterns ein­zu­lei­ten. Er fing an zu recher­chie­ren, such­te nach einem Rah­men, um gesun­des Altern umzu­set­zen. Und stieß auf das Kon­zept der alters­freund­li­chen Städ­te. Und auf ein Hand­buch aus Kana­da mit Tool­box, mit genau­en Anlei­tun­gen, um das Kon­zept der Alters­freund­lich­keit umzusetzen.

 

Dar­an hielt er sich. Bür­ger­meis­ter Johan­nes Mans ließ sich vom Enthu­si­as­mus Hikls bald anste­cken, ihm gefiel die Idee, Rade­vorm­wald zur ers­ten alters­freund­li­chen Stadt in Deutsch­land zu machen.

Auf­ge­stellt hat die Stadt seit­dem an zen­tra­len Orten Bän­ke mit Arm­leh­nen, die das Auf­ste­hen erleich­tern. Zusätz­lich gibt es ein­zel­ne Hocker, die zum Aus­ru­hen und Klö­nen ein­la­den. Ein­fach Plät­ze der Begeg­nung und gut für alle, die sich einen Café-Haus­be­such nicht leis­ten kön­nen oder wol­len und nur ein biss­chen dem Trei­ben auf dem Markt­platz zuschau­en wol­len. Außer­dem wur­den alle wich­ti­gen Stra­ßen­über­gän­ge im Stadt­kern bar­rie­re­frei gestal­tet. Die Bür­ger­stei­ge wur­den ganz abge­senkt, für Roll­stuhl­fah­rer Quer­ril­len ein­ge­las­sen, die das Brem­sen am Stra­ßen­rand unter­stüt­zen. Tak­ti­le Boden­leit­sys­te­me und eine Bord­stein­kan­te las­sen auch Seh­be­hin­der­te neben der Absen­kung sicher die Stra­ße queren.

Geschäfts­in­ha­ber freu­en sich über die Maß­nah­men, schließ­lich kau­fen Älte­re sel­te­ner bei Ama­zon und lie­ber per­sön­lich im Laden. Für wei­ter ent­fern­te Sied­lun­gen gibt es einen Bür­ger­bus und inzwi­schen einen Quar­tiers­bus, der von Ehren­amt­li­chen gefah­ren wird.

 

Lei­der wer­den bis­her zu wenig zen­tral gele­ge­ne bar­rie­re­freie Woh­nun­gen ange­bo­ten. Kor­du­la Schulz-Asche spricht sich dafür aus, gene­rell bar­rie­re­frei zu bau­en. Der Bestand sei ja eh größ­ten­teils nicht bar­rie­re­frei, des­halb müs­se man zumin­dest bei Neu­bau­ten jetzt auf ein gene­ra­tio­nen­freund­li­ches Kon­zept setzen.

Ins­ge­samt, so Hikl, wer­den in Rade­vorm­wald schon etwa 60% der Zie­le der WHO für eine alters­freund­li­che Stadt bedient. Und es wird dar­an gear­bei­tet, alle 82 WHO-Kri­te­ri­en umzu­set­zen. Schon jetzt kön­ne man sagen, dass durch die Maß­nah­men älte­re Men­schen deut­lich län­ger zuhau­se woh­nen blei­ben könn­ten. Das ist genau das, was sich Älte­re wün­schen – und was gleich­zei­tig zur finan­zi­el­len Ent­las­tung bei Kran­ken- und Pfle­ge­kas­sen und der Kom­mu­ne führe.

Kor­du­la und wir  waren uns nach dem Besuch einig: ein gutes Kon­zept. In Ham­burg freu­en wir uns ganz beson­ders, weil Age-fri­end­ly City auch in unser aktu­el­les Bür­ger­schafts-Pro­gramm ein­ge­flos­sen ist! Ein wich­ti­ger Schritt, um für den demo­gra­fi­schen Wan­del gut auf­ge­stellt zu sein, den gro­ße Städ­te wie Lon­don, Tokio, New York, Mel­bourne oder unse­re Part­ner­stadt Shang­hai längst voll­zo­gen haben.

Fotos: Chris­ta Möl­ler, Gabrie­le Heise

Artikel kommentieren

Ein Kommentar

  1. Wäre schön, wenn der Buch­ti­tel ange­ge­ben wäre: »ein Hand­buch aus Kana­da mit Tool­box, mit genau­en Anlei­tun­gen, um das Kon­zept der Alters­freund­lich­keit umzusetzen«

Keine Kommentare möglich.

Skip to content