Älterwerden in Hamburg 7. April 20178. April 2017 | Christa MöllerBundestagsabgeordnete Anja Hajduk (links) und Kreisvorsitzende Jenny Jasberg (rechts)Jenny Jasdorf, grüne Kreisvorsitzende in Hamburg-Bergedorf und Anja Hajduk, grünes Mitglied im Bundestag, hatten ins Bürgerhaus nach Hamburg-Bergedorf eingeladen und begrüßten dort etwa 20 Gäste. Jenny wünschte sich für den Abend, dass wir das Trendthema Demografischer Wandel runterbrechen könnten, auf konkrete Forderungen, die man im Bezirk umsetzen könnte. Anja erzählte, dass sich der Bundestag gerade sehr mit dem Älterwerden der Gesellschaft beschäftige. Schließlich leben wir alle länger – und wollen auch gut alt werden. Die Wählerinnen schauten darauf, was die verschiedenen Parteien für die Alten tun. Die Thematik „Wie wird Pflege organisiert?“ sei vielen zum Beispiel wichtiger als Arbeitsmarkt und Klimaschutz. Dass wir mehr gute Pflegekräfte bräuchten, werde gerade im Bundestag heiß diskutiert. Anja sprach sich für eine Abschaffung der Zweiteilung in Kassen- und Privatpatienten aus und wünschte sich eine Bürgerversicherung. Eine Forderung, die bei den Wähler*innen leider noch nicht so richtig angenommen würde.„Heißt Ihr wirklich Grüne Alte?“, wollte die Hausärztin Anne-Marie Geballte Frauenpower bei der Veranstaltung im Bürgerhaus, von rechts nach links: Anne-Marie Stüven, Jenny Jasberg, Anja Hajduk, Liesing Lühr, Susanne Kutz und ichStüven wissen, die seit 19 Jahren in Bergedorf arbeitet und als erste von vier Referentinnen an diesem Abend über die medizinische Versorung im Bezirk reden wollte. „Ist das nicht diskriminierend?“ Damit hat sie den Finger natürlich schon ein bisschen in eine Wunde gelegt, unser Name stößt ja bei vielen Mitgliedern auf Kritik – und es gibt auch schon Überlegungen für eine Umbenennung… Susanne Kutz, von der Körberstiftung widersprach jedoch vehement, das Alter müsse endlich positiver besetzt werden. Im Prinzip hat sie natürlich recht, aber ob das in absehbarer Zeit klappt…Die Ärztin Anne-Marie Stüven beklagte, dass es zu wenige Hausärzte gäbe, die meisten Praxen hätten schon einen Aufnahmestop für neue Patient*innen, schlecht für Menschen, die zuziehen. In ihrer Praxis erlebe sie täglich, dass alte Menschen so lange es geht, in ihren eigenen vier Wänden bleiben möchten. Die Ausweitung von drei auf fünf Pflegestufen würde das auch fördern. Leider sei ein Umzug trotzdem oft erforderlich, da die meistern Häuser und Wohnungen nicht barrierefrei seien.Etwa 20 Gäste diskutierten im Bürgerhaus über das Älterwerden im BezirkÜber Wohnprojekte sprach Liesing Lühr, Vorsitzende der Grünen Fraktion in Bergedorf, die selber in einem Wohnprojekt lebt, im Gojenbergsweg. Zweidrittel der Wohnungen dort werden vermietet, ein Drittel verkauft. Der Genossenschaftsanteil, den jede*r bezahlen müsse, betrage 250 Euro pro Quadratmeter; in manchen Fällen hätten sich die Bewohner zusammengetan und Interessenten, die diese hohe Summe nicht allein aufbringen konnten, einen privaten Kredit gegeben. Ein geeignetes Baugrundstück zu finden, sei oft gar nicht so einfach und könne Jahre dauern. Einfacher sei es meist umgekehrt, man habe ein Baugrundstück und suche dann nach passenden Mitbewohnern.Mein Anliegen: die Altersbilder müssen sich ändern!Als nächstes war ich als Sprecherin der Hamburger Grünen Alten dran mit positiven Beispielen für gesellschaftliche Teilhabe. Ich wünsche mir für ein gutes Miteinander der Generationen ein positiveres Altersbild – die skandinavischen Länder sind schon viel weiter als wir, dort gibt es auch einen flexiblen Renteneintritt und es wird in der Regel länger gearbeitet (in Schweden kann man bis 67, in Norwegen sogar bis 75 arbeiten). Ältere werden als kompetent wahrgenommen und das Altersbild ist entsprechend positiv.Da alle Menschen einen Lebenssinn brauchen, suchen viele Rentner*innen Anschluss an die Gesellschaft über ein Ehrenamt, etwa 22 Prozent entscheiden sich dafür. Es lohnt sich, andere zu fragen, ob sie eine Aufgabe übernehmen wollen, denn etwa 30 Prozent aller Älteren sagen: „Ich hätte schon gern etwas gemacht, aber mich hat nie jemand darum gebeten.“Ein wichtiges Stichwort für die Zukunft heißt „Caring Communities“: Menschen übernehmen Selbstverantwortung, in Ergänzung zum öffentlichen Sozialsytem. Das kann im Kleinen passieren, durch Nachbarschaftshilfe oder im Großen durch Seniorengenossenschaften. Der 7. Altenbericht hat gerade darauf hingewiesen, dass der Staat Mittel dafür zur Verfügung stellen müsse.Es gibt bereits viele Beispiele für eine gelungene Umsetzung, u.a. Vereine, die Zeitguthaben sammeln, das sich bei Bedarf wieder abrufen lässt: für Besuchs- und Fahrdienste, Begleitung bei Behördengängen, Arztbesuchen, Haushaltshilfe im Krankheitsfall (Beispiel: Öcher Frönnde, ein eingetragener Verein aus Aachen, der sich über 1 Euro/Monat- Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert. Eine Helferstunde ohne Gegenleistung kostet 2 Euro.) Oder tatsächliche Genossenschaften (Beispiel: KISS, keep it small and simple, aus der Schweiz). Entwickelt haben sich auch Tauschbörsen für Arbeiten, die jemand gut kann und die man gegen andere Arbeiten eintauschen möchte (Beispiel: Senioren-Gemeinde Kronach in Franken).Das Bürgerhaus ist barrierefrei, so dass alle teilnehmen konntenZum Schluss erläuterte Susanne Kutz, Geschäftsführerin des „Haus im Park“/Körberstiftung, dass sie sich ja bisher überwiegend um die Älteren gekümmert hätten, jetzt aber das Angebot erweitern wollten. Altern und demografischer Wandel seien schließlich nicht nur ein Thema für Alte, es ginge ja vielmehr darum, das ganze Leben zu entzerren. Es gäbe eine neue Sandwich-Generation, die Kinder studieren und die Eltern benötigten Pflege. Wir bräuchten flexiblere Wochenarbeitszeiten, neue Lebensmodelle, die diskutiert werden müssten.Ein gelungener Abend mit viel Input und guten Gesprächen!
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