Anhörung zur Digitalisierung mit fast 3000 Zuschauer*innen!

Am 25.02.2021 fand im Gleich­stel­lungs­aus­schuss der Ham­bur­gi­schen Bür­ger­schaft eine Anhö­rung zum The­ma „Teil­ha­be von Senio­rin­nen und Senio­ren durch Digi­ta­li­sie­rung – Eine Stra­te­gie für Ham­burg“ statt – mit über­wäl­ti­gen­der Reso­nanz. Fast 3000 Zuschauer*innen waren im drei­stün­di­gen Live­stream der Ham­bur­gi­schen Bür­ger­schaft dabei! Was zeigt, wie wich­tig das The­ma Teil­ha­be durch Digi­ta­li­sie­rung ist – weit über die Gren­zen von Ham­burg hinaus!

Hände schreiben am Computer
Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE

Die wich­tigs­ten Vor­schlä­ge, Ideen und For­de­run­gen, die von ins­ge­samt sechs Expert*innen gestellt wurden: 

  • Älte­re sind die am stärks­ten wach­sen­de Grup­pe im Netz, aber es fehlt an pas­sen­den Ange­bo­ten für sie.
  • Es gibt kei­nen Über­blick über all die Ange­bo­te, die schon vor­han­den sind, wir brau­chen eine digi­ta­le Platt­form für Ange­bo­te in jedem Stadtteil.
  • Wir brau­chen älte­re Influcencer*innen, die ande­ren zei­gen, wie es geht.
  • Ein Digi­tal-Pakt Alter muss her, es feh­len Schu­lungs-Stra­te­gien für älte­re Menschen.
  • Wir brau­chen Lern­or­te in jedem Stadtteil.
  • For­schung muss Älte­re ein­be­zie­hen und darf nicht bei 65plus enden.
  • Wir brau­chen einen run­den Tisch mit Ban­ken, Kran­ken­kas­sen, Han­del, VHS, Bücher­hal­len, Senio­ren­treffs, Pro­vi­dern, Ein­zel­han­del, Alten­heim­be­trei­bern, Pfle­ge­diens­ten und vie­len mehr.
  • Es muss für Men­schen mit Grund­si­che­rung kos­ten­lo­ses WLAN über­nom­men wer­den und in allen Pfle­ge­hei­men, Kran­ken­häu­sern, Wohn­an­la­gen muss WLAN selbst­ver­ständ­lich sein.
  • Für älte­re Men­schen müs­sen kos­ten­lo­se Leih­ge­rä­te vor­han­den sein, zum Ken­nen­ler­nen, um Ängs­te abzu­bau­en und für alle, die sich Tablet und Smart­phone nicht leis­ten können.
  • Mit Angli­zis­men schlie­ßen wir vie­le Älte­re aus.
  • Schüler*innen und Student*innen könn­ten Älte­re beim Umgang mit digi­ta­len Gerä­ten unter­stüt­zen, aber auch älte­re frei­wil­lig Engagierte.
  • Älte­re müs­sen heu­te den Schritt in die digi­ta­le Welt machen – aber es müs­sen Ange­bo­te geschaf­fen wer­den, damit das auch funk­tio­niert. Z. B. von Ban­ken, Kran­ken­kas­sen, Ein­woh­ner­mel­de­äm­tern und über­all, wo ana­lo­ge Ange­bo­te ein­ge­stellt werden.
  • Wir brau­chen viel mehr digi­ta­le Kur­se, das Ange­bot reicht aktu­ell bei wei­tem nicht aus.
  • Wir brau­chen geschul­tes Per­so­nal und ein aus­ge­wo­ge­nes Ver­hält­nis von frei­wil­lig Enga­gier­ten und Hauptamtlichen. 
  • Es ist in jedem Alter mög­lich, dazuzulernen.
  • Wir müs­sen in jedem Alter dazu­ler­nen, das wird auch in Zukunft erfor­der­lich sein.
Dagmar Hirche steht beim internationalen Seniorentag draußen mit Christine Worch
Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE Dag­mar Hir­che (links) mit Chris­ti­ne Worch vom Gene­ra­tio­nen­pro­jekt DigitalHoch2

Dag­mar Hir­che, Vor­sit­zen­de Wege aus der Ein­sam­keit, arbei­tet seit sie­ben Jah­ren dar­an, Senior*innen die digi­ta­le Welt näher zu brin­gen, hat zahl­rei­che Multiplikator*innen geschult und wäh­rend Coro­na bis­her 230 Zoom Kon­fe­ren­zen durch­ge­führt. Sie for­dert, dass digi­ta­le Bil­dung nicht bei 65 plus auf­hö­ren son­dern viel spä­ter. Die meis­ten Lern­wil­li­gen sind zwi­schen 72 und 87 Jah­ren. Dag­mar Hir­che wünscht sich kos­ten­frei­es WLAN im öffent­li­chen Raum. „Men­schen mit Grund­si­che­rung, die kön­nen sich oft kein WLAN leis­ten. Und da müs­sen wir eine Lösung fin­den… Wir brau­chen kos­ten­frei­es WLAN in allen Wohn­an­la­gen, Kran­ken­häu­sern, Hei­men.“ In jedem Orts­amt soll­te es einen Raum geben, wo Men­schen dar­über infor­miert wer­den, wie man einen digi­ta­len Rei­se­pass z.B. bean­tragt. Die öffent­lich-recht­li­chen Sen­der kön­nen eine Sen­dung Digi­ta­le Bil­dung ins Leben rufen. Rich­tig gut lie­fen auch Kur­se mit jun­gen Geflüch­te­ten, die Älte­ren digi­ta­le Tech­nik erklärt haben. Das hat bei­den Sei­ten viel gebracht. Und es soll­te in jeder Stadt eine Platt­form geben mit den unter­schied­lichs­ten Ange­bo­ten für Senior*innen.

Professor Kruse steht neben Christa Möller-Metzger
Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE Pro­fes­sor Andre­as Kru­se mit Chris­ta Möller-Metzger

Pro­fes­sor Dr. Dr. h.c. Andre­as Kru­se, Vor­sit­zen­der der 8. Altersberichts­kommission, Pro­fes­sor für Psy­cho­lo­gie und Geron­to­lo­gie, weist dar­auf­hin, wie wich­tig digi­ta­le Tech­nik sowohl für die sozia­le und kogni­ti­ve Teil­ha­be ist, für die geis­ti­ge Ent­wick­lung im Alter. Die Mög­lich­keit, die Erfah­rung, Tech­nik anwen­den zu kön­nen, erfolg­reich damit umge­hen zu kön­nen, ist für das Selbst­bild alter Men­schen von aller­größ­ter Bedeu­tung. Die digi­ta­le Daseins­vor­sor­ge kann auch ent­schei­dend dabei hel­fen, dass älte­re Men­schen im häus­li­chen Umfeld woh­nen blei­ben kön­ne. Vie­le kla­gen z.B. über Schwin­del, „Wenn man ein ent­spre­chen­des prä­ven­ti­ves oder pro­phy­lak­ti­sches Instru­ment an sei­ner Sei­te hat, kann die­se Gefahr bezie­hungs­wei­se kann die­se Angst redu­ziert wer­den.“ Man kann durch sen­sor­ge­stütz­te Tech­nik Sturz­pro­phy­la­xe betrei­ben. Von digi­ta­ler Tech­nik darf nie­mand aus­ge­grenzt sein. Im 8. Alters­be­richt ist sehr deut­lich arti­ku­liert, so Kru­se, dass die Bun­des­re­gie­rung dafür Sor­ge tra­gen muss, dass die Erkennt­nis­se zur digi­ta­len Tech­nik, dass auch die Anwen­dung der digi­ta­len Tech­nik, nicht zu einer Ver­schär­fung von sozia­ler Spal­tung in unse­rer Gesell­schaft füh­ren. Und es darf nicht dazu kom­men, dass zu einer sozia­len Spal­tung nun eine digi­ta­le Spal­tung hin­zu­tritt. Kru­se gibt Land und Kom­mu­nen die Ver­ant­wor­tung dafür, dass alle Haus­hal­te mit digi­ta­ler Tech­nik aus­ge­stat­tet wer­den. Das muss auch die Men­schen ein­be­zie­hen, die sich das nicht leis­ten können. 

Nico­la Röh­richt, Refe­ren­tin der BAGSO (Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft der Senio­ren­or­ga­ni­sa­tio­nen e. V.), lobt Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz, die fer­ti­ge Bil­dungs­plä­ne haben. Man brau­che eine Stra­te­gie: den Digi­tal-Pakt. Gute Bei­spie­le müss­ten geteilt wer­den. Die Wirt­schaft sei in der Pflicht. Her­stel­ler von Tech­nik soll­ten an den Tisch geholt wer­den, Updates müss­ten leich­ter hand­hab­bar sein. Ein Bil­dungs­plan sei gut, ein fest­ge­leg­tes Cur­ri­cu­lum aller­dings nicht. Für die Ein­be­zie­hung von Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bräuch­ten wir Brückenbauer*innen, Bin­de­glie­der, auf die wir zuge­hen müss­ten. Und zual­ler­erst müs­se der Nut­zen der Tech­nik erklä­ren wer­den, z. B. bei Goog­le Earth: man kön­ne an frem­de Orte rei­sen, auch wenn man nicht mobil sei. 

Nicola Röhricht sitzt vor ihrer Präsentation
Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE Nico­la Röh­richt von der BAGSO

Jens Stap­pen­beck, Geschäfts­füh­rer der Arbeits­ge­mein­schaft der Frei­en Wohl­fahrts­pfle­ge geht es um die digi­ta­le Daseins­vor­sor­ge als Grund­ver­sor­gung, er for­dert, dass digi­ta­le Bil­dung kos­ten­frei sein muss: „Wir brau­chen Ein­zel- und Grup­pen­an­ge­bo­te.“ In Senio­ren­treffs fän­den sich oft nur in die Jah­re gekom­me­ne End­ge­rä­te, das rei­che nicht. Es müss­ten digi­ta­le Gerä­te zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Er kann sich auch vor­stel­len, dass es ein Sozi­al­prak­ti­kum in den wei­ter­füh­ren­den Schu­len gibt, in den Stadt­teil­schu­len, in den Gym­na­si­en, um eine 1:1‑Betreuung zwi­schen älte­ren Men­schen und Schüler*innen hin­zu­be­kom­men. Auch Student*innen könn­te man ein­be­zie­hen, die sich gern gesell­schaft­li­che enga­gie­ren, z.B. auch für soge­nann­te Digi­tal-Ambu­lan­zen, die im Not­fall ein­sprin­gen könnten. 

Uta Kei­te, Beschäfts­füh­re­rin Bücher­hal­len Medi­en­pro­jek­te GmbH, baut gera­de Kon­tak­te zu Migran­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen auf; das könn­te man gut in den Medi­en­lie­fer­dienst ein­bau­en. Sie plant Haus­be­su­che für die­ses Jahr und auch Besu­che in Senio­ren­hei­men. Ihre digi­ta­len Kur­se Silber&Smart in den Bücher­hal­len, spe­zi­ell für Senior*innen, sind immer aus­ge­bucht. Meis­tens kom­men Frau­en, das Durch­schnitts­al­ter liegt bei 75. The­men sind Video­kon­fe­ren­zen, Online-Ein­kau­fen oder rei­sen. Geschult wird von Ehren­amt­li­chen, digi­tal, per Tele­fon und ana­log. „Wir bie­ten rund 1 500 kos­ten­lo­se Ver­an­stal­tun­gen pro Jahr an plus Tau­sen­de spon­ta­ne Bera­tun­gen in den Bücher­hal­len… Wir sind mit Sicher­heit der größ­te Anbie­ter zur digi­ta­len Teil­ha­be in Hamburg.…“

Joa­chim Schul­te, Pro­jekt­ko­or­di­na­tor Digi­ta­le Engel, Pro­jekt­lei­ter Digi­tal­kom­pass, erzählt, dass die Digi­ta­len Engel von Okto­ber bis Novem­ber in Ham­burg und Schles­wig-Hol­stein unter­wegs sein wer­den. Sie stün­den auf Markt­plät­zen, um über ihr Ange­bot zu infor­mie­ren. Vie­le Älte­re woll­ten in Kon­takt blei­ben, lesen Zei­tung im Netz, such­ten nach Fahr­plä­nen oder spie­len. Die Alten gäbe es genau­so wenig wie die Jun­gen – und alt sei nicht gleich­be­deu­tend mit offline.

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