Ein Blick in die Zukunft von Arbeit und Rente

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Karin Haist (rechts). Lei­te­rin des Bereichs Gesell­schaft der Kör­ber-Stif­tung, dis­ku­tiert mit span­nen­den Exper­ten die Zukunft von Arbeit und Rente

Vor kur­zem im Semi­nar „Arbeit, Ren­te, unver­sorgt? Was uns über­mor­gen erwar­tet“: Karin Haist, Lei­te­rin des Bereichs Gesell­schaft der Kör­ber-Stif­tung, stellt die The­se auf, dass die Digi­ta­li­sie­rung unse­re Erwerbs­tä­tig­keit ver­kür­zen wer­de, der demo­gra­fi­sche Wan­del sie aber ver­län­ge­re. Wir müss­ten den Stel­len­wert von Arbeit neu defi­nie­ren. Wir sei­en alle in eine Arbeits­ge­sell­schaft hin­ein­ge­bo­ren wor­den, unse­re Gesell­schaft müs­se sich neu ori­en­tie­ren. Wir haben in Zukunft ver­mut­lich alle mehr Zeit und Arbeit wird einen gerin­ge­ren Teil der Lebens­ar­beits­zeit aus­ma­chen als bis­her. Haist führ­te damit wäh­rend einer Kon­fe­renz, die am 1.12. in der Kör­ber­stif­tung in der Hafen­ci­ty statt­fand (mehr Infos sie­he auch hier), in die The­ma­tik der Lebens­ar­beits­zeit ein.

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Dr. Max Neu­f­eind aus Ber­lin spricht über die Arbeits­welt 4.0

Dr. Max Neu­f­eind, Arbeits­psy­cho­lo­ge, Mit­glied im Ber­li­ner Think Tank, mach­te drei Vor­aus­sa­gen bis 2030, die aus sei­ner Sicht Gewiss­hei­ten seien:

-Es gäbe kein Ende der Arbeit.

-Die Bran­chen wür­den sich ent­schei­dend wan­deln wie auch die Beru­fe und Tätig­kei­ten. Genau­so wie wir uns ja schon von der Agrar- über die Indus­trie- zur Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft ent­wi­ckelt haben, gin­ge die­ser Pro­zess wei­ter. Ein Arbeits-Schwer­punkt läge zukünf­tig auf den Berei­chen Hei­len und Beraten.

-Manu­el­le Rou­ti­ne­tä­tig­kei­ten näh­men ab, Robo­tik, Künst­li­che Intel­li­genz und Auto­ma­ti­on wür­den zuneh­men. Neu­f­eind geht von einer zukünf­ti­gen durch­schnitt­li­chen Wochen­ar­beits­zeit von 30 Stun­den aus, wäh­rend der gesam­ten Lebensarbeitszeit.

Er mal­te ver­schie­de­ne Sze­na­ri­en aus, sei­ne Befürch­tung für die Zukunft: eine neue Form der Pola­ri­sie­rung von qua­li­fi­zier­ten und nicht­qua­li­fi­zier­ten Men­schen. Er glaubt, dass ein wach­sen­der Dienst­leis­tungs­be­reich ent­ste­hen wird, der das Leben für die Hoch­qua­li­fi­zier­ten erst mög­lich macht und spricht von der neu­en feu­da­len Digi­tal­ge­sell­schaft. Es fän­de eine Auf­lö­sung der Tren­nung von Arbeit und Frei­zeit statt, eine Sub­jek­ti­vie­rung des Arbeits­le­bens. Mot­to: „Ich will mich ver­wirk­li­chen, mei­ne Arbeit bin ich.“ Wir wür­den los­ge­löst arbei­ten, ohne fes­te Bin­dun­gen. Man arbei­tet, wo und wann man gebraucht wird. Bekommt einen Pro­jekt­job für 10 Minu­ten für eine Online-Platt­form oder für Mona­te, je nach Projekt.

Er riet, nicht nur stumpf IT-Kom­pe­ten­zen zu erwer­ben, son­dern sich zu über­le­gen: Was kön­nen wir als Men­schen bes­ser als es Robo­ter kön­nen? Wir unter­schei­den uns z.B. durch Empa­thie und Krea­ti­vi­tät. Die neue Arbeits­welt sei in hohem Maße gestalt­bar, durch die Men­schen. Wir bräuch­ten Resi­li­enz. Er hält eine „flä­chen­de­cken­de Infra­struk­tur zur lebens­lan­gen För­de­rung der Kom­pe­ten­zen, die Tech­no­lo­gie bedeut­sam macht“ für not­wen­dig. Deutsch­land sei bis­her in all die­sen Berei­chen noch ziem­lich ver­krus­tet, wir bräuch­ten sozia­le Bewegungen.

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Prof. Börsch-Supan aus Mün­chen hält gar nichts vom bedin­gungs­lo­sen Grundeinkommen

Wei­ter ging es mit Axel Börsch-Supan, Lei­ter des Münch­ner Zen­trums für „Eco­no­mics of Aging“ am Max-Planck-Insti­tut, der sich um die Knapp­heit an Arbeit für die Jün­ge­ren sorg­te. Trotz­dem hielt er Pes­si­mis­mus für unan­ge­bracht, die demo­gra­fi­sche Aus­gangs­la­ge sei gut. Und anders als Tho­mas Straub­haar lehn­te er ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men ab, das sei wie Ren­te mit 61. Man wür­de es neh­men und dann kei­nen Grund mehr sehen, zu arbeiten.

Bis 2030 sei die Ren­te noch sicher, ab dann wür­de es schwie­rig; er glau­be aber nicht, dass es zu einem Krieg der Gene­ra­tio­nen käme und sähe auch kei­ne Welt vol­ler Alters­ar­mut. Der Alters­quo­ti­ent, mein­te er, wür­de bis 2040 mas­siv anstei­gen, danach auf die­sem Pla­teau blei­ben. Die Ren­ten wür­den wei­ter stei­gen, aber nicht so schnell wie die Löh­ne. In den letz­ten 150 Jah­ren sei­en letz­te­re im Schnitt 1,5% pro Jahr gestie­gen. Im Moment läge die Alters­ar­mut bei 3%, wenn sich nichts ände­re wür­de sie wohl auf 3,7% anstei­gen. Wenn das Ren­ten­ein­tritts­al­ter auf 67 Jah­re stei­ge, wür­de die Alters­ar­mut sin­ken. Das Pro­blem sei­en die unter­bro­che­nen Erwerbs­kar­rie­ren. Beson­ders Allein­er­zie­hen­de und Men­schen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund hät­ten Pro­ble­me, schwar­ze Pro­gno­sen gin­gen davon aus, dass es zu einer 5,4%igen Alters­ar­mut kom­men könn­te. Deutsch­land müs­se sich um die­ses Vier­tel der Gesell­schaft küm­mern, nicht um Rent­ner allgemein.

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…ganz anders sein Kol­le­ge Prof. Straub­haar aus Ham­burg, der ein lei­den­schaft­li­ches Plä­doy­er dafür hält!

Für Prof. Dr. Tho­mas Straub­haar von der Uni­ver­si­tät Ham­burg wird es den Stan­dard­rent­ner, der 45 Jah­re voll in die Ren­ten­ver­si­che­rung ein­zahlt, zukünf­tig nicht mehr geben. War­um das so sei, habe Neu­f­eind ja schon beschrie­ben.  Er hielt des­halb ein enga­gier­tes Plä­doy­er für ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men, um bestimm­te Hal­te­li­ni­en in unse­rer Öko­no­mie zu behal­ten. Es rei­che nicht, ein paar Kuschel­de­cken zu ver­tei­len und die Ren­te im Osten ein wenig anzu­he­ben. Die Glo­ba­li­sie­rung wür­de wei­ter­ge­hen, die Ent­wur­ze­lung zuneh­men, eben­so eine Pola­ri­sie­rung und sehr hohe Mobi­li­tät. Unser Siche­rungs­sys­tem basie­re auf lebens­lan­gem unge­bro­che­nem Erwerbs­le­ben, der Mann ver­dient, das Ehe­paar bleibt zusam­men, hat zwei Kin­der. Bes­ser­ver­die­nen­de zah­len nur bis zur Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze ein, Selb­stän­di­ge gar nicht.

Sicher sei aber:

-Die Wochen­ar­beits­zeit wird weni­ger wer­den, das war bis­her immer so.

-Es wird Brü­che im Leben geben, wir wer­den uns wei­ter­bil­den müssen.

Sei­ner Mei­nung nach gibt es vier Grund­prin­zi­pi­en des 21. Jahr­hun­derts:

  • Der Lebens­wirk­lich­keit der Mas­sen müs­se Rech­nung getra­gen wer­den. Wir soll­ten weg von Arbeit hin zur Wert­schöp­fung kom­men. Brü­che müs­sen auf­ge­fan­gen wer­den. Alle müs­sen in die Ren­te einzahlen.
  • Wir brau­chen ein fai­res, trans­pa­ren­tes, ver­ständ­li­ches Sys­tem. Das jet­zi­ge Sys­tem sei eine Schwei­ne­rei, unab­hän­gig davon, ob es legal ist, es ist nicht legi­tim. Das för­de­re Trumpismus.
  • Wer mehr ein­zahlt, müs­se mehr in der Tasche haben, Men­schen wol­len belohnt werden.
  • Alle soll­ten teil­ha­ben, wer brei­te­re Schul­tern hat, soll mehr ein­zah­len, mehr abgeben.

Das bedin­gungs­lo­se Grund­ein­kom­men sei nicht mehr als eine gro­ße Steu­er­re­form. Ob das finan­zier­bar sei, ist die fal­sche Frage.

Frau­en sei­en die gro­ßen Ver­lie­rer des jet­zi­gen Sys­tems. Frau­en, die heu­te zwi­schen 25 und 40 Jah­re alt sind, wür­den spä­ter von Alters­ar­mut betrof­fen sein.

Dis­ku­tiert wur­de zum Schluss, dass Arbeits­zeit zen­tral erfasst wer­den soll­te, zen­tral ver­wal­tet. Nut­zen könn­ten wir das für Sab­ba­ti­cals und Weiterbildung.

Arbei­ten müs­se stär­ker belohnt werden.

Neu­f­eind beton­te, dass Teil­ha­be als sinn­haf­te Koope­ra­ti­on erlebt wer­den müs­se. Im Moment sei Arbeit aber für einen Groß­teil der Arbeit­neh­mer schreck­lich. Wir müs­sen Arbeit attrak­ti­ver machen. Arbeit­neh­mer, die kei­ne Wert­schät­zung erfüh­ren, wür­den aber irgend­wann aufbegehren.

Supan wies dar­auf hin, dass Arbeit­neh­mer das Früh­ver­ren­tungs­mo­dell lieb­ten. Wür­den Älte­re ent­las­sen, zah­le die Ren­ten­ver­si­che­rung. Die Arbeit­ge­ber in Deutsch­land zahl­ten wenig in Wei­ter­bil­dung. Es sei eine Pflicht für Arbeit­ge­ber, dass ein 67jähriger Dach­de­cker nicht mehr auf dem Dach ste­hen dürf­te. Er müss­te recht­zei­tig umge­schult, wei­ter­ge­bil­det wer­den. Wert­schät­zung wür­de viel zu sel­ten gege­ben, wür­de aber mit zuneh­men­dem Alter immer wichtiger.

Straub­haar mein­te, das Gejam­mer über den Fach­kräf­te­man­gel sei Metho­de der Arbeit­neh­mer, um ihre Ver­ant­wor­tung abzu­wäl­zen. Es gäbe genug Men­schen, die bereit wären, län­ger zu arbei­ten, wenn sie ver­nünf­tig dafür bezahlt würden.

Sehr gute Refe­ren­ten, span­nen­de Dis­kus­sio­nen, super auf­be­rei­tet, vie­len Dank an die Kör­ber­stif­tung für den inspi­rie­ren­den Input!

 

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