Gegen Einsamkeit – mehr Verantwortung übernehmen

Anläss­lich der 40-Jahr Fei­er der GRÜNEN in der Bür­ger­schaft fand Ende Juni der Auf­bruch­kon­gress im Ham­bur­ger Rat­haus statt. In einem span­nen­den Panel zum The­ma Ein­sam­keit nah­men die bekann­tes­te Ein­sam­keits­for­sche­rin Deutsch­lands, Dr. Mai­ke Luh­mann, die für Senio­ren zustän­di­ge Sena­to­rin Katha­ri­na Fege­bank sowie der Spre­cher für Kul­tur René Gög­ge und die senio­ren­po­li­ti­sche Spre­che­rin Chris­ta Möl­ler-Metz­ger an der Dis­kus­si­on teil.

Unser Vor­stands­mit­glied Chris­ta Möl­ler-Metz­ger hat uns in einem Inter­view geschil­dert, wie ein­sam älte­re Men­schen sind und was dage­gen getan wer­den kann.

Chris­ta Möl­ler | GRÜNE ALTE Dr. Mai­ke Luh­mann (links) und Chris­ta Möl­ler-Metz­ger beim Auf­bruch­kon­gress (Foto R. Glitz)

Ein­sam­keit kommt in jedem Alter vor, der höchs­te Anstieg ist aller­dings mit 80 Jah­ren. Wie kann das Risi­ko, am Ende des Lebens ein­sam zu wer­den, gesenkt werden? 

CMM: Alle Men­schen brau­chen Teil­ha­be, das wird im höhe­ren Alter oft unter­schätzt. Kon­tak­te sind wich­tig, sozia­le Bezie­hun­gen hal­ten jung. Wir brau­chen vie­le Treff­punk­te, die leicht zu errei­chen sind. Beson­ders älte­re Frau­en haben oft klei­ne Ren­ten, kön­nen sich einen Kaf­fee oder ein Glas Wein in einem Lokal nicht leis­ten. Da ist es wich­tig, dass es Treff­punk­te gibt, in denen man nicht kon­su­mie­ren muss. Wir soll­ten dabei vor­han­de­ne Struk­tu­ren nut­zen wie z. B. Schu­len nach dem Unter­richt, Häu­ser der Jugend, die vor­mit­tags frei sind oder Bücherhallen.

Die öffent­li­chen Bücher­hal­len haben gera­de ihre Öff­nungs­zei­ten erwei­tert, in immer mehr Stadt­tei­len kann man auch am Sonn­tag hinein.

Und was ich mir beson­ders wün­sche: Die Auf­stel­lung von bun­ten Freund­schafts­bän­ken, die signa­li­sie­ren: Ich habe Lust auf ein Gespräch. Und das nicht nur in Grün­an­la­gen, son­dern an beleb­ten Plät­zen. In Schott­land und Irland wur­den die schon sehr erfolg­reich auf­ge­stellt. Die brau­chen wir auch in Ham­burg an mög­lichst vie­len Stellen. 

Was ist mit einem Ehrenamt?

Alle Men­schen brau­chen Auf­ga­ben, in jedem Alter. Des­halb ist gesell­schaft­li­ches Enga­ge­ment gut. Wäh­rend Jün­ge­re und auch jun­ge Alte aber aktiv z. B. von Ver­ei­nen ange­spro­chen wer­den, ist das bei Hoch­alt­ri­gen nicht der Fall. In einer Stu­die von Prof. Andre­as Kru­se, Uni Hei­del­berg, gaben 80 % der Insti­tu­tio­nen an, sich nicht um die­se Alters­grup­pe zu küm­mern. Das muss sich ändern. Gera­de beim gesell­schaft­li­chen Enga­ge­ment wol­len Men­schen gefragt wer­den, ob sie unterstützen.

Kann man sich auf den Ruhe­stand vorbereiten?

Ja – und das wäre auch wich­tig, damit man nicht so ein­fach in den neu­en Lebens­ab­schnitt hin­ein­stol­pert. Die meis­ten Men­schen freu­en sich ja erst mal auf die Ren­te und die Zeit ohne Arbeit. Und dann kommt manch­mal nach 1 oder 2 Jah­ren das schwar­ze Loch. Es wäre gut, wenn die Zeit nach der Ren­te bereits The­ma im Job ist,  so dass zukünf­ti­ge Rentner*innen sich früh­zei­tig dar­über Gedan­ken machen kön­nen, was sie spä­ter machen wollen. 

Ham­burg ist ja die Haupt­stadt der Sin­gles, fast 50 % der Men­schen leben allein. Ist das ein Grund für Einsamkeit?

Nicht unbe­dingt, allein sein heißt ja nicht zwangs­läu­fig, ein­sam zu sein.  Aber es leben natür­lich auch beson­ders Hoch­alt­ri­ge allein. Wäh­rend des Lock­downs haben sich vie­le von ihnen iso­liert oder auch ein­sam gefühlt. Neue Wohn­mo­del­le wie z.B. Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­wohn­pro­jek­te sind mit Sicher­heit ein wich­ti­ger Schritt gegen Einsamkeit. 

Ich habe gera­de ein Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­pro­jekt mit Eigen­tums- und Miet­woh­nun­gen in Volks­dorf besucht (Als­ter­vo­gel). Dort haben älte­re Men­schen berich­tet, dass die vie­len absichts­lo­sen Begeg­nun­gen mit den Mit­be­woh­nern, die Gesprä­che zwi­schen­durch, wenn man sich zufäl­lig drau­ßen trifft, Ein­sam­keits­ge­füh­le gar nicht auf­kom­men lassen.

Pfle­gen­de Angehörige berich­ten häu­fig vom Gefühl der Ein­sam­keit. Sie wün­schen sich die Möglich­keit, auch ande­re Kon­tak­te pfle­gen zu können. Wel­che Ange­bo­te oder Model­le können hel­fen? 

Pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge sind oft rund um die Uhr beschäf­tigt. Oft sind es ja älte­re Men­schen, die ihre Partner*innen pfle­gen. Da bleibt kei­ne Zeit, an sich selbst zu den­ken, Kon­tak­te zu pfle­gen ist schwie­rig. Sie brau­chen gute, pro­fes­sio­nel­le Unter­stüt­zung, damit sie sich mehr Aus­zei­ten neh­men kön­nen. Aus­rei­chend Tages­pfle­ge­an­ge­bo­te z.B. und dadurch mehr Ent­las­tung. Wir sind in Ham­burg dabei, das Ange­bot auszubauen. 

Wel­che Erfolgs-Bei­spie­le gibt es schon gegen Einsamkeit?

Die Stadt Aar­hus in Däne­mark will gezielt Ein­sam­keit bekämpfen. 

Es gibt z. B. eine Online-Platt­form, die wie ein schwar­zes Brett funk­tio­niert und zu rea­len Tref­fen ein­lädt (genlydaarhus.dk). Das hät­te ich auch gern in Ham­burg. Die Stadt ver­teilt auch Kar­ten, auf denen z. B. steht: „Wol­len wir zusam­men essen gehen?« Die kann man dann gezielt wei­ter­ge­ben. Eine net­te Ges­te, die gut funktioniert.

In Steil­shoop, Barm­bek-Nord und in Horn gibt es LeNa, die Abkür­zung für leben­di­ge Nach­bar­schaft. Das Modell­pro­jekt der SAGA möch­te lebens­lan­ges Woh­nen mit gutem nach­bar­schaft­li­chem Aus­tausch ermög­li­chen. In den Nie­der­lan­den wur­de in einem Super­markt eine Plau­der­kas­se ein­ge­rich­tet. Kas­sie­rer las­sen sich bewusst Zeit, um mit Men­schen an der Kas­se ins Gespräch zu kommen.

In Ham­burg haben wir die Haus­be­su­che, die allen Älte­ren kurz nach dem 80. Geburts­tag ange­bo­ten wer­den. Da wird gezielt gefragt, wie es den Men­schen geht, was sie mög­li­cher­wei­se an Unter­stüt­zung brau­chen. Aber gera­de ein­sa­men Men­schen fällt es oft schwer, aus ihrer Iso­la­ti­on her­aus­zu­kom­men und Ange­bo­te anzunehmen. 

Des­halb den­ke ich, dass wir alle mehr Ver­ant­wor­tung über­neh­men soll­ten. Wenn wir unse­ren Nach­barn, unse­re Nach­ba­rin ein paar Tage nicht gese­hen haben, mal nach­fra­gen, ob alles okay ist. Wir soll­ten Augen und Ohren viel mehr offen halten. 

Wer kon­kret in Ham­burg hel­fen kann:

Sil­ber­netz mit der Tele­fon­num­mer 0800 4708090, für alle, die ein­fach mal reden wol­len. Anonym, ver­trau­lich, kostenlos. 

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