Vorschläge 60plus Hamburg für eine Exit-Strategie

Co-Spre­cher Jörg Ross­bach aus Ham­burg mode­riert die Kon­fe­renz der GRÜNEN 60plus, jede*r wird groß ein­ge­blen­det, wenn sie/er reden. Klappt gut!

Hier kommt das Posi­ti­ons­pa­pier, das die Ham­bur­ger GRÜNEN 60plus über Ostern erar­bei­tet haben. Mit Video­kon­fe­renz am Grün­don­ners­tag und vie­len Mails und Tele­fo­na­ten, die hin und her gingen.

 

 

Posi­ti­ons­pa­pier Grü­ne 60plus, Hamburg: 

Neue Hotspots der Corona-Pandemie und Vorschläge für eine mögliche Exit-Strategie

Die gegen­wär­ti­ge Pan­de­mie for­dert unse­re Gesell­schaft in bis­her unbe­kann­tem Umfang her­aus und wir erle­ben eine gro­ße Wel­le der Soli­da­ri­tät. Bis­her waren es haupt­säch­lich jün­ge­re, fit­te Men­schen, die von Covid-19 ange­steckt wur­den, wie Skiläufer*innen im Urlaub oder Berufs­tä­ti­ge. Das könn­te sich bald ändern, wenn Alten- und Pfle­ge­hei­me in abseh­ba­rer Zeit zu neu­en Hot­spots der Coro­na-Pan­de­mie wer­den. Des­halb ste­hen sie zunächst im Mit­tel­punkt unse­rer Über­le­gun­gen. Allein die Bei­spie­le aus Wolfs­burg und Würz­burg ver­deut­li­chen, wie groß die Gefähr­dung der Bewohner*innen inzwi­schen ist und wel­che Ent­wick­lun­gen uns bevor­ste­hen könnten.

Situa­ti­on in Alten­hei­men neu über­den­ken. Wir wol­len Risi­ko­grup­pen unbe­dingt schüt­zen – Älte­re eben­so wie Men­schen mit Vor­er­kran­kun­gen und mit Behin­de­run­gen. Vor dem Hin­ter­grund von Per­so­nal­eng­päs­sen und feh­len­der Aus­rüs­tung galt Iso­la­ti­on daher als Mit­tel der Wahl. Weil sie sich als Schutz­maß­nah­me ein­fach umset­zen lässt und weil sie schnell funk­tio­niert. Es geht aber auch anders, mei­nen Viro­lo­gen wie Prof. Alex­an­der Kekulé, z. B. mit Rege­lun­gen und Abspra­chen. Bis­her wur­de viel zu wenig dar­über gere­det, wel­che gesund­heit­li­chen Fol­gen eine län­ger­fris­ti­ge Iso­la­ti­on für älte­re Men­schen haben könn­te.  Kekulé for­dert des­halb, die Alten­hei­me künf­tig genau­so ernst zu neh­men wie die Kli­ni­ken. Die­se For­de­rung unter­stüt­zen wir und haben kon­kre­te Vor­schlä­ge ent­wi­ckelt, wie Pfle­ge­hei­me damit umge­hen könn­ten (sie­he Anla­ge 1).

Kon­kret bedeu­tet das: Beschäf­tig­te von ambu­lan­ten Pfle­ge­diens­ten und in sta­tio­nä­ren Ein­rich­tun­gen brau­chen den glei­chen Schutz wie das Per­so­nal in Kli­ni­ken (auf nor­ma­len Sta­tio­nen) und in Zahn- oder Haus­arzt­pra­xen — also Schutz­klei­dung, Des­in­fek­ti­ons­mit­tel und vor allem Mund-Nasen-Schutz.

Sozia­le Kon­tak­te als Gesund­heits­vor­sor­ge.  Eine Art „Zwangs­qua­ran­tä­ne“, eine gefühl­te „kol­lek­ti­ve Ent­mün­di­gung“ der pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen muss so bald wie mög­lich been­det wer­den. Durch indi­vi­du­el­le Maß­nah­men, über die gemein­sam mit Betrof­fe­nen, Heim­bei­rä­ten und Ange­hö­ri­gen bera­ten wird, soll­te es auch in der aktu­el­len Situa­ti­on mög­lich sein, einen regel­mä­ßi­gen Kon­takt zwi­schen den Bewohner*innen unter­ein­an­der und nach außen hin zu orga­ni­sie­ren. Bei der Umset­zung muss die Poli­tik gege­be­nen­falls für finan­zi­el­le Unter­stüt­zung sorgen.

Bei allen Über­le­gun­gen dür­fen wir eins nicht ver­ges­sen: „Die Alten“ gibt es nicht. Gesund­heit­li­che Unter­schie­de bei­spiels­wei­se sind bei Men­schen mit unter­schied­lich hoher Bil­dung oder Ein­kom­men häu­fig eben­so groß oder sogar grö­ßer als Unter­schie­de zwi­schen ver­schie­de­nen Alters­grup­pen. Und fest steht auch, dass die Reduk­ti­on der Kon­tak­te die gefühl­te und die tat­säch­li­che Gesund­heit nega­tiv beein­flus­sen.

Da beson­ders Men­schen über 65 vor­wie­gend in Ein- und Zwei­per­so­nen­haus­hal­ten leben, stei­gern sozia­le Kon­tak­te zur Fami­lie, zu Nachbar*innen, Freund*innen und Bekann­ten die Lebens­zu­frie­den­heit in ent­schei­den­dem Maße. Und dies stärkt wie­der­um ihre Gesundheit.

Digi­ta­le Teil­ha­be för­dern. Lässt sich eine vor­über­ge­hen­de Kon­takt­sper­re trotz aller Beden­ken nicht ver­hin­dern, soll­te zumin­dest die digi­ta­le Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben geför­dert wer­den, z. B. über Mes­sen­ger-Diens­te und Video-Tele­fo­nie. Beson­ders in der Alters­grup­pe bis Mit­te 70 haben vie­le Älte­re bereits Zugang zum Inter­net. Es wäre des­halb gut, eine spe­zi­el­le Senio­ren-Online-Sei­te zu haben mit leicht ver­ständ­li­chen Tuto­ri­als, Coro­na-Infor­ma­tio­nen, Bewe­gungs­übun­gen, Spie­len und der Mög­lich­keit, online mit ande­ren zu kom­mu­ni­zie­ren (sie­he Anla­ge 2). Auch Schnell-Tests, Tests zur Immu­ni­tät und eine App, die früh­zei­tig über Kon­tak­te mit Infi­zier­ten infor­miert (z.B. PEPP-PT), soll­ten so schnell wie mög­lich zur Ver­fü­gung stehen.

Berufs­tä­ti­ge ab 60 ver­nünf­tig inte­grie­ren. Ist eine Locke­rung der Maß­nah­men nach Ansicht der meis­ten Expert*innen ver­tret­bar, sind auch außer­halb von Kli­ni­ken oder Pfle­ge­hei­men umfas­sen­de Schutz­maß­nah­men wie Abstands­re­geln, Schutz­mas­ken, Des­in­fek­ti­ons­mit­tel und Hand­schu­he unab­ding­bar. Kei­ne Lösung wäre es dage­gen aus unse­rer Sicht, das Berufs­le­ben von Men­schen ab 60 gene­rell ent­schei­dend ein­zu­schrän­ken. Vor allem auch in päd­ago­gi­schen Berei­chen wie Kita oder Schu­le ist es nicht hin­nehm­bar, älte­re Lehr­kräf­te oder Erzieher*innen „zum Eigen­schutz“ vor der Tür zu las­sen.  Es gilt viel­mehr, aus­rei­chend Test­mög­lich­kei­ten (auf Immu­ni­tät) sicher­zu­stel­len und in den jewei­li­gen Sys­te­men indi­vi­du­el­le Lösun­gen zu ent­wi­ckeln, bei­spiels­wei­se durch eine ver­än­der­te Arbeitsorganisation.

Dar­aus folgt: Für einen schritt­wei­sen Coro­na-Aus­stieg brau­chen wir in allen Berei­chen des öffent­li­chen Lebens eine Stra­te­gie, die sich am jeweils aktu­el­len und indi­vi­du­el­len Risi­ko der Betrof­fe­nen ori­en­tiert. Und wir brau­chen eine Stra­te­gie, die alle Gene­ra­tio­nen mitnimmt.

Die GRÜNEN 60plus, 11.04.2020, Chris­ta Möl­ler-Metz­ger, Prof. Dr. Jörg Rossbach

Anla­ge 1:  Vor­schlä­ge für Rege­lun­gen in Pflegeheimen

Für eine Exit-Stra­te­gie aus den all­ge­mei­nen Prä­ven­ti­ons­maß­nah­men (Kon­takt­sper­re, Shut­down etc.) ist es uns wich­tig, ins­be­son­de­re auch einen mög­li­chen Aus­stieg aus den Iso­la­ti­ons­maß­nah­men der älte­ren, pfle­ge­be­dürf­ti­gen Men­schen in den Hei­men zu ent­wi­ckeln. Wir machen dazu fol­gen­de Vor­schlä­ge, die sich an der Mei­nung aus­ge­wie­se­ner Expert*innen orientieren:

  • Hei­me soll­ten dafür sor­gen, dass die Bewohner*innen sich regel­mä­ßig an der fri­schen Luft bewegen.
  • Das Essen soll mög­lichst gemein­sam ein­ge­nom­men wer­den, damit die Bewohner*innen mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren kön­nen. Lässt sich dabei ein Min­dest­ab­stand von 1,5 Metern nicht ein­hal­ten, könn­ten z. B. zwei Tisch­zei­ten ange­setzt werden.
  • In den Pfle­ge­hei­men muss das Per­so­nal ver­stärkt und vor allem regel­mä­ßig auf eine mög­li­che Infek­ti­on getes­tet werden.
  • Eine kom­plet­te und aus­rei­chen­de Aus­stat­tung mit Schutz­klei­dung und ‑mas­ken für alle Mitarbeiter*innen muss selbst­ver­ständ­lich sein.
  • Besu­che von Ange­hö­ri­gen soll­ten zum Schutz der Bewohner*innen im Frei­en (Grün­flä­che der Pfle­ge­hei­me, vor der Tür im Ein­gangs­be­reich etc.) stattfinden.
  • Ist nur ein Besuch am Bett oder im Zim­mer mög­lich, weil die Pfle­ge­be­dürf­ti­gen nicht mehr mobil sind, muss auch für die Ange­hö­ri­gen Schutz­klei­dung – ins­be­son­de­re FFP 2- und FFP 3- Mas­ken – zur Ver­fü­gung gestellt werden.
  • Zur bes­se­ren Über­sicht­lich­keit der Besu­che könn­ten fes­te Besuchs­zei­ten ver­ge­ben werden.
  • Falls in Pfle­ge­hei­men Coro­na-Fäl­le nach­ge­wie­sen wer­den, sind sofort getrenn­te Ver­sor­gungs­be­rei­che für Infi­zier­te und Nicht-Infi­zier­te einzurichten.
  • Die Ein­be­zie­hung von Ehren­amt­li­chen soll­te wie­der mög­lich sein, indem für sie die glei­chen Vor­sichts­maß­nah­men gel­ten wie für Besucher*.
  • Gege­be­nen­falls muss finan­zi­ell nach­ge­bes­sert wer­den, um aus­rei­chend neue Pfle­ge­kräf­te ein­stel­len zu können.
  • Schwerst­pfle­ge­be­dürf­ti­ge soll­ten — wenn mög­lich – vor einem Kran­ken­haus­auf­ent­halt gefragt wer­den, ob sie eine inten­siv­me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung wün­schen.
  • Um Iso­la­ti­on wei­test­ge­hend durch Kom­mu­ni­ka­ti­on zu erset­zen, soll­te in Senio­ren­ein­rich­tun­gen über­all WLAN zur Ver­fü­gung ste­hen und Senior*innen, z. B. von Ehren­amt­li­chen, über die wich­tigs­ten Funk­tio­nen auf­ge­klärt wer­den. Hard­ware, wie z.B. ein Tablet, könn­te aus­ge­lie­hen werden.
  • Aus­fäl­le in der häus­li­chen Ver­sor­gung kön­nen häu­fig nicht allein von den Fami­li­en auf­ge­fan­gen wer­den. Leis­tun­gen zur Ent­las­tung pfle­gen­der Ange­hö­ri­ger soll­ten des­halb schnell und unbü­ro­kra­tisch erhöht und fle­xi­bi­li­siert werden.

Anla­ge 2:  Online-Ange­bo­te für Senioren

Mehr als 82 % aller Deut­schen zwi­schen 60 und 69 Jah­ren nut­zen das Inter­net, 62 % sind es bei den über 70-Jäh­ri­gen. Vie­le von ihnen wis­sen aber bis­her nicht, was sich alles online machen lässt. Sie haben bei­spiels­wei­se noch nie gechat­tet, per Sky­pe mit Freun­den kom­mu­ni­ziert oder Fotos für die Enkel hochgeladen.

Denk­bar wäre ein Online-Ange­bot im Rah­men einer offi­zi­el­len Ham­burg-Sei­te, z. B. Hamburg.de, das spe­zi­ell für älte­re Men­schen ent­wi­ckelt wur­de. Die­se Infor­ma­tio­nen müss­ten über­sicht­lich und selbst­er­klä­rend sein, ohne all­zu ver­wir­ren­de Fach­be­grif­fe und auch ohne Wer­bung. Dort soll­ten Tuto­ri­als  ein­ge­baut wer­den, z.B. zu fol­gen­den The­men: Fotos auf­neh­men und ver­schi­cken. Spie­le suchen. Zei­tun­gen als E‑Paper lesen. Pro­gram­me fin­den, über die man mit Fami­lie oder Freun­den online im Gespräch sein kann. 5*)

5*) Zum Bei­spiel wie es Dag­mar Hir­che vom Ver­ein „Wege aus der Ein­sam­keit e.V.“ gemacht hat. Sie hat bereits ent­spre­chen­de Tuto­ri­als ent­wi­ckelt und etwa 6.500 Senior*innen über den Gebrauch von Tablets und Smart­phones informiert. 

 

Unterzeichner*innen:

Alfred Blohm

 

Chris­tia­ne Blömeke

Dr. Klaus Curth

Ste­phan Daudt

Prof.Dr.Marlis Dürkop-Lep­tihn

Uschi Ger­mer

Uwe Hal­pap

Vol­ker Haß

 

Gabrie­le Heise

Eck­hard Heumeyer

Mari­us Kiemer

Dr. Ingo Lembke

Chris­ta Möller-Metzger

Dr. Petra Osinski

Prof. Dr. Jörg Ross­bach

 

Dr. Rita Rossbach

Par­vin Schröder

Prof. Dr. Petra Strehmel

Karl-Heinz Tödt

Chris­sie Jones

Skip to content